Lehren ohne Belehrung: Wie Bilder wirken

Es geht auch ohne klassische Dogmen: Anders als die meisten Lehr- und Handbücher zur Fotografie kommt "Wie Bilder wirken" ganz ohne etablierte Gestaltungskonzepte und Regeln daher. Statt dessen gibt es erstklassige Bilderkost mit ebenso subjektiven wie lehrreichen Anmerkungen.

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Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Robert Seetzen

(Bild: dpunkt-Verlag)

Verständnis und Wissen zu Themen künstlerischen Gestaltens zu vermitteln, gleicht einem schwierigen Balanceakt. Wo Gestaltungsregeln dominieren, bleibt wenig Raum für Neugier und Selbstständigkeit. Fehlt es an Rahmen und Richtung, wird ein Lehrwerk schnell beliebig.

George Barr, US-amerikanischer Arzt, Fotograf und Autor, findet in "Wie Bilder wirken" einen interessanten Mittelweg: 52 fast durchweg hochklassigen Aufnahmen stellt er eigene Eindrücke und auch Kommentare der jeweiligen Fotografen zur Seite. Den Lesern öffnet sich so ein ebenso entspannt wie selbstständig gangbarer Weg zum Verständnis gelungener Bildgestaltungen. Bekannte Lehrsätze, technische Grundlagen oder Anleitungen fehlen völlig; im Mittelpunkt stehen das Bild, seine Entstehung und seine Wirkung.

Dass das Spektrum der Aufnahmen dabei durchaus begrenzt und die Auswahl der Fotografen vergleichsweise eng an den Wirkungskreis des Autoren gekoppelt ist, erweist sich keineswegs als Nachteil. Portraits beispielsweise sind klar in der Minderzahl, das Gros der Aufnahmen zeigt Landschaften, Räume und Architekturdetails. Insgesamt überwiegt eine eher abstrakte Sicht der Welt. Die von Barr ausgewählten Bilder lassen der Wahrnehmung des Betrachters ebenso viel Raum wie die Texte dem Leser.

Fast anachronistisch scheint, dass die meisten der von Barr ausgewählten Fotografen nach wie vor mit analogem Material arbeiten. In den allen Texten angefügten Aufstellungen des verwendeten Equipments dominieren Platten- und analoge Mittelformatkameras. Digitalkameras kamen eher selten zum Einsatz. In einigen Fällen erklärt sich die Abwesenheit moderner Technik aus dem jeweiligen Aufnahmedatum, das älteste Bild der Sammlung, "Wetterhäuschen", entstand 1964. Insgesamt bedient sich Barr allerdings aus aktuellen Portfolios, fast alle Bilder wurden nach der Jahrtausendwende aufgenommen.

Auch bei der Suche nach dem für sein Buch geeigneten Bildmaterial zeigte sich Barr der Gegenwart verpflichtet. Viele der Fotos hat er im Internet entdeckt, manches davon war zuvor weder in Printmedien noch in Galerien zu sehen. Ganz auf der Höhe der Zeit oder zumindest der Mode steht etwa die vom Fotokünstler Dan Burkholder beigesteuerte Montage eines von Bäumen umgebenen Teichs. Die dem Bild zugrunde liegenden Fotos wurden mit einem iPhone aufgenommen und anschließend auf dem Computer zusammengefügt. Anders als viele vergleichbare Experimente meistert "Baum und Teich im Herbst" jedoch den Schritt vom bloßen Spiel mit der Technik zum zeitlosen Kunstwerk. Anders hätte es in diesem erstaunlich gelungenen, dank seines klugen Konzepts und seiner exzellenten Bildauswahl ebenfalls zeitlosen Buch wohl auch keinen Platz gefunden.

Wie Bilder wirken
George Barr
dpunkt.verlag
228 Seiten
26 x 26 cm
39,90 Euro
ISBN: 978-3-89864-745-8

(keh)