Bericht: Staatlicher Hochschul-IT droht Privatisierung

Einem Medienbericht zufolge erwägt das Bundesbildungsministerium, die IT-Abteilung der HIS GmbH zu privatisieren. Sie war für einen Teil des jüngst erneut verschobenen Systems zur zentralen Hochschulzulassung verantwortlich.

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Von
  • Christian Kirsch

Der erneut verschobene Start des zentralen Hochschulzulassungssystems "Dialogorientiertes Serviceverfahren" (DoSV) könnte für die Hannoveraner HIS GmbH Folgen haben. Einem Bericht von Studis online zufolge erwägt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), die IT-Abteilung des Staatsbetriebs zu privatisieren. Die Website zitiert aus einem ihr vorliegenden Schreiben der Staatssekretärin Cornelia Quennet-Thielen (CDU): "Als einer der insgesamt 17 Gesellschafter der HIS GmbH hält der Bund eine Privatisierung der HIS-IT für einen geeigneten Weg." Mit über 200 Kunden ist die HIS GmbH in Deutschland Marktführer bei den Hochschulinformationssystemen. Sie gehört dem Bund und den Ländern, die rund ein Drittel zum Umsatz durch direkte Zuschüsse beisteuern – 2010 rund 8,6 Millionen Euro.

In den meisten Unis läuft noch das alte Client-Server-System HIS-GX, dessen Nachfolger HisInOne auf eine Web-Services-Architektur setzt und sich relativ einfach an das DoSV anbinden lässt. An der Verbindung zwischen HIS-GX und DoSV jedoch ist der Hersteller kürzlich zum zweiten Mal gescheitert. Als Grund verwies er auf die zahlreichen Anpassungen, die Kunden an HIS-GX vorgenommen hätten. Nach Medienberichten ist Bundesbildungsministerin Schavan über die von HIS verursachte Verzögerung verärgert. Ihr Ministerium hatte die Entwicklung des DoSV mit 15 Millionen Euro finanziert.

Das Geld floss allerdings fast ausschließlich in die von T-Systems erstellte zentrale Softwarekomponente, die seit Mitte 2011 funktionsfähig ist. Mit der Anbindung der Hochschulen daran haben sich offenbar weder das BMBF noch die für das DoSV zuständige Stiftung für Hochschulzulassung (SfH) und die HIS GmbH rechtzeitig beschäftigt.

So hatte sich die SfH erstmals im Januar 2011, drei Monate vor dem ersten geplanten DoSV-Start, bei den Hochschulen nach den jeweils für die Zulassung geforderten Dokumenten erkundigt. Der aus Staatsvertretern bestehende HIS-Aufsichtsrat hatte trotz mehrerer vorheriger Verzögerungen bei der Anbindung erst nach dem ersten Scheitern des DoSV im April 2011 ein Gutachten zur weiteren Entwicklung beauftragt. Inzwischen äußert sich der HIS-Geschäftsführer Martin Leitner laut Zeit selbstkritisch: Die Ziele des DoSV hätten eine Überforderung aller Akteure dargestellt, HIS hätte dies früher erkennen und darauf hinweisen müssen.

Nutznießer des HIS-Debakels könnten die Hamburger Datenlotsen mit ihrem Hochschul-Informationssystem CampusNet sein. Daraus haben sie in den letzten Monaten "Campus Net Apply" entwickelt, das die Verbindung zwischen HIS-GX und dem DoSV herstellt. Hochschulen, die HisInOne oder diesen Konnektor einsetzen, sollen nun an einem "Pilotprojekt" für das DoSV teilnehmen. Wie viele Bildungseinrichtungen das betrifft, ist allerdings noch offen.

Das DoSV soll die Zulassung durch Zentralisierung beschleunigen. Bislang können sich Studenten bei beliebig vielen Hochschulen um einen Studienplatz bewerben und zunächst auch beliebig viele Zusagen annehmen. Dadurch stellt sich häufig erst relativ spät heraus, wer welchen Studienplatz tatsächlich in Anspruch nimmt. Die anschließenden Nachrückerrunden ziehen sich bis zu zwei Monate hin, und zahlreiche Studienplätze bleiben unbesetzt. Beim DoSV bewerben sich Studenten für bis zu 12 Kombinationen aus Fächern und Hochschule online und erhalten ihre Zulassungen auf diesem Weg. Nehmen sie eine davon an, werden alle betroffenen Hochschulen sofort unterrichtet, und die Bewerbung ist abgeschlossen. (ck)