Das Universum ist nicht genug

Nach nur 15 Monaten wird das Computer-Onlinespiel "Lego Universe" Ende Januar seine virtuellen Tore schlieĂźen. Warum gab das Unternehmen ihm nicht mehr Zeit?

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  • Veronika Szentpetery-Kessler

Nach nur 15 Monaten wird das Mehrspieler-Online-Gemeinschaftsspiel (MMOG) „Lego Universe“ am 30. Januar seine virtuellen Tore schließen. Erst im Oktober 2010 war die in 20 Ländern zugängliche Computer- Spielarena des dänischen Spielzeugbauers mit viel Fanfare vom Stapel gelaufen: „Heute haben wir 70 Prozent der Vision realisiert, wie man in Zukunft Lego spielt“, sagte Entwicklungschef Mark Hansen damals gegenüber Technology Review. Zehn Jahre Entwicklungsarbeit und einen zweistelligen Millionenbetrag in Dollar hatte es sich das Unternehmen Lego kosten lassen, den populären Plastik-Bausteinen virtuelles Leben einzuhauchen und ihre Darstellung dabei so realistisch wie möglich und so wenig rechenaufwendig wie möglich zu gestalten.

Die Idee: Die Spieler entwerfen einen virtuellen Lego-Avatar und können damit auf verschiedenen Planeten Abenteuer zwischen Schatzsuche und Schlachten bestehen, um Spielgeld und virtuelle Legobausteine zu erwerben. Wer alle Missionen erfolgreich absolvierte, erhielt ein virtuelles Baugrundstück, auf dem er mit den erworbenen Steinen alles von Burgen über Autos bis hin zu Dinosauriern Stein für Stein zusammensetzen konnte. Die Kreationen ließen sich per Knopfdruck bewegen und die neuen Welten für andere Spieler zugänglich machen. Geplant war zudem, den Spielern nach ein bis zwei Jahren den Service anzubieten, ihre Bauwerke als reale Objekte aus Kunststoff fertigen und liefern zu lassen.

Die abopflichtige Premium-Version für zehn Dollar pro Monat enthielt 15 Abenteuer, diverse Erweiterungen und bot den Spielern Zugang zu Wettbewerben. Im August 2011 startete Lego dann eine abgespeckte kostenlose Version mit nur zwei Missionen, einer Spielgeldobergrenze und weiteren Basis-Funktionen – vermutlich weil sich nicht so viele zahlungswillige Abonnenten angemeldet hatten wie erwartet. Das ist jedenfalls der offiziell verlautbarte Grund, weshalb das dänische Unternehmen nun den Stecker vollends zieht und bei noch laufenden Abos eine Rückerstattung anbietet.

In den Foren diskutieren Computer-Spieler und Marketing-Experten verschiedene GrĂĽnde fĂĽr das frĂĽhe Ableben des Spiels, unter anderem

  • eine von Spielern als zu schlecht empfundene graphische Darstellung
  • eine falsche Verkaufsstrategie: die Basisversion hätte entweder alle Welten enthalten und Spieler wie bei echten Steinen nur fĂĽr zusätzliche Kits fĂĽr eine größere Bauvariabilität zahlen lassen sollen; oder von Anfang an auch ein freie Basisversion enthalten sollen
  • eine kurzsichtige Marketingstrategie, die rein auf Erlöse setzt und zusätzliche verkaufsfördernde Effekte des Online-Spiels fĂĽr echte Lego-Kits auĂźer Acht lässt

Lego selbst sagte offenbar in einem Artikel der dänischen Tageszeitung Jyllands Posten, dass einer seiner Hauptfehler gewesen sei, die Spieler erst eine DVD im Laden kaufen zu lassen, bevor sie online loslegen konnten. Der Grund dafür sei eine Marktanalyse gewesen, derzufolge Kinder stets (auch) ein anfassbares Produkt wollten.

Vielleicht ist an alledem etwas dran. Doch insgesamt denke ich, dass zum einen Kinder sehr gut zwischen Computer- und Spielen zum Anfassen unterscheiden können. In meiner Verwandtschaft spielen sie mit gleicher Begeisterung mit den echten Sets sowie den Online-Videospiele mit Legofiguren (von Star Wars bis Harry Potter). Zum anderen finde ich, dass die Zeit, die dem Spiel zum Fuß fassen vergönnt war, trotzdem zu kurz bemessen war.

Der Faszination für Lego – reale wie virtuelle – wird das Einmotten von „Lego Universe“ trotzdem keinen Abbruch tun. Das Unternehmen verkauft die Videospiele weiterhin mit großem Erfolg und will in diesem Bereich aktiv bleiben. Auch die Gesamterlöse steigen seit Jahren kontinuierlich. Es stimmt allerdings, dass kleine wie große Nutzer die echten Steine wohl nie werden missen wollen; Lego-Läden mit ihren riesigen Werbebauten – vom Star-Wars-Todesstern bis zum VW-Bulli –, Regalreihen voller bunter Kartons und in Eimerchen gemessenen Einzelteil-Zusammenstellungen werden immer attraktiv sein. Den riesigen New Yorker Laden am Rockefeller Center fand ich neulich jedenfalls ebenso ansprechend wie die Eisbahn davor. Der Lego-Laden gewann den Erstbesuch. (vsz)