Vergrößert Online-Ausbildung die digitale Kluft?
Ein vom amerikanischen College Board veröffentlichter Bericht warnt vor neuen Bildungsbenachteiligungen.
Online-Ausbildung, also virtuelle Schulen, Universitäten oder weiterbildende Institutionen, versprechen nicht nur eine Senkung der Kosten, neue Lernformen und ortsunabhängigen Zugang zum qualifizierten Wissen, sondern auch eine Einebnung der Bildungsgeographie zwischen Stadt und Land oder zwischen reichen Industrie- und armen Entwicklungsländern. Manche glauben überdies, daß über die Vernetzung das auf sozialen Ungleichheiten beruhende Bildungsgefälle eingeebnet werden könnte. Ein vom amerikanischen College Board veröffentlichter Bericht über "Die virtuelle Universität und Ausbildungschancen" setzt hinter all diese Erwartungen zumindest ein großes Ausrufezeichen: "Während Ausbildung der große Gleichmacher ist, scheint die Technik eine neue Quelle für Ungleichheit zu sein."
Zunächst einmal können virtuelle Universitäten nur von jenen besucht werden, die dafür die nötige Ausrüstung und die Kompetenz im Umgang mit der Technik besitzen. Bislang jedenfalls ist in den USA - und anderswo - die Verbreitung von Computern höchst ungleich. Gerade jene Studenten, die einen Zugang zur Online-Ausbildung am nötigsten haben, sind am meisten benachteiligt. Die Einkommenshöhe bestimmt weitgehend, wer einen Computer und einen Internetzugang zuhause besitzt. Auch wenn in den USA bereits 89 Prozent aller Grundschulen und höheren Schulen über einen Internetzugang verfügen, so haben die Hälfte bislang nur einen Zugang in der Bibliothek oder beim Direktor. Während nur in 40 Prozent der Schulen in den Regionen mit der höchsten Konzentration an armen Schülern ein Internetzugang in der Klasse vorhanden ist, ist dies bei 60 Prozent der Klassen in Schulen mit dem geringsten Anteil an armen Schülern der Fall: "Die fortgeschrittensten Bürger - und Schulen - können am besten von den neuesten Techniken profitieren. Ein Vorsprung vergrößert den weiteren Vorsprung", kommentiert der Bericht des College Board.
Um die digitale Kluft nicht zu vergrößern, dürfte man die Online-Ausbildung nicht alleine den Kräften des freien Marktes überlassen, sondern sei der Staat aufgefordert, die Chancen der Menschen aus den benachteiligten sozialen Schichten zu verbessern. Die Informationsindustrie wird dazu aufgerufen, sich ihrer sozialen Verantwortung zu stellen und sich nicht nur um teure lukrative Endprodukte, sondern vor allem um die Erweiterung des Zugangs zu Computern und zum Internet zu kümmern.
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