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Deutschland gilt bei Experten als "Breitband-Entwicklungsland"

Wenn es um den schnellen Zugang zum Internet geht, hat Deutschland nach Ansicht von Experten trotz des aktuellen DSL-Booms großen Nachholbedarf.

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Von
  • Andreas Von Hippin
  • dpa

Wenn es um den schnellen Zugang zum Internet geht, hat Deutschland nach Ansicht von Experten trotz des aktuellen DSL-Booms großen Nachholbedarf. "Deutschland muss bei der Breitbandnutzung aufholen, denn wir fallen im internationalen Vergleich leider zurück", sagt Cisco-Deutschlandchef Andreas Dohmen. "Von 15 EU-Staaten landen wir in Sachen Breitband-Internet auf einem der hinteren Plätze." Am nächsten Freitag wird sich auf der Computermesse CeBIT ein "Breitbandgipfel" mit diesem Thema beschäftigen (Convention Center, Saal 1B).

"Es ist ein bisschen traurig für ein Land wie Deutschland, im selben Atemzug wie Portugal oder Griechenland genannt zu werden", sagt auch Analystin Ariane Afrough vom Marktforschungsinstitut IDC. "Natürlich trumpft Deutschland immer mit Kundenzahlen auf -- T-Online als der größte Internet Service Provider in Westeuropa --, aber das liegt an der Größe Deutschlands, nicht am Entwicklungsstand der Breitband-Technologie." IDC zufolge verfügen gerade einmal 13 Prozent der deutschen Haushalte über einen DSL-Anschluss. In Südkorea zum Beispiel haben mehr als 70 Prozent der Haushalte bereits einen Hochgeschwindigkeits-Internetzugang. Der westeuropäische Durchschnitt liegt einer aktuellen Studie von Forrester Research zufolge bei 20 Prozent.

Die Forrester-Analysten Niek van Veen und Lars Godell vergleichen in der Studie die 19 Prozent Wachstum in Deutschland 2003 mit den 81 Prozent Wachstum in Westeuropa insgesamt. Sie sprechen von "anämischem Wachstum" in den Jahren 2003 und 2004. Der deutsche Breitbandmarkt werde von technikverliebten jungen Männern bestimmt. Über das Stadium, in dem solche Konsumpioniere den Ton angeben, habe sich der Markt bisher nicht hinausentwickelt.

Ein Grund für die deutsche Rückständigkeit in Sachen Breitband ist Experten zufolge, dass es bislang keine Ernst zu nehmenden Alternativen zur Deutschen Telekom gibt und damit auch keinen Wettbewerb. "Länder mit hoher Breitband-Nutzung verfügen in der Regel über eine gute Mischung unterschiedlicher Zugangstechnologien", sagt Dohmen. "Neben DSL werden dort TV-Kabel oder Glasfaser genutzt, die zudem wesentlich leistungsfähiger sind. Ein richtiger Wettbewerb der Zugangstechnologien fehlt in Deutschland allerdings bislang."

Die IDC-Analystin Afrough wird noch deutlicher: "Der Verkauf der Kabelnetze war der letzte Hoffnungsschimmer, Wettbewerb zu DSL und zur Deutschen Telekom einzuführen, aber auch das schlug ja sensationell fehl. Erst seit der Weiterverkauf (Reselling) der DSL-Anschlüsse möglich ist, fangen Konkurrenten der Telekom an, aggressiv den Markt anzugehen." Dadurch sind die Preise mittlerweise stark zurückgegangen.

Die Nachfrage nach Breitband-Zugängen wird aber nicht nur durch den Preis bestimmt, sondern auch durch die auf diese Weise nutzbaren Angebote. Dohmen hält Breitband heute schon für hochattraktiv und führt Musik- oder Video-Downloads und auch die Internet-Telefonie (VoIP) an. "Und Breitband-Internet ermöglicht den Providern so genannte Triple-Play-Angebote: Private Haushalte erhalten Internetanschluss, Telefonie und Fernsehen aus einer Hand und zu günstigen Preisen", sagte Dohmen.

"Die Telekom wird sehr stark daran interessiert sein, neue Dienstleistungen auf den Markt zu bringen", sagte Sun-Deutschlandchef Marcel Schneider. "Damit wird auch Wachstum kommen. Office wird eine Killer-Anwendung sein." Gemeint ist die Möglichkeit, mit Bürosoftware über das Netz arbeiten zu können, ohne sie auf dem eigenen PC installieren zu müssen.

Forrester Research erwartet, dass der Anteil der deutschen Haushalte mit Breitband-Anschluss bis 2010 auf 44 Prozent steigen und damit über dem angenommenen Durchschnittswert von 41 Prozent für Westeuropa liegen wird. Sie setzen bei ihrer optimistischen Prognose auf die neuen Angebote der Deutschen Telekom für Weiterverkäufer von DSL-Anschlüssen, sinkende Preise, mehr Marketing-Aufwand rund um das Thema Breitband und interessantere Breitband-Dienstleistungen. (Andreas Hippin, dpa-AFX) / (anw)