Softwarepatente: Die Zeichen stehen auf Neuverhandlung im EU-Rat

Am Montag soll der Wettbewerbsrat die umstrittene Patentrichtlinie abnicken -- doch das dänische Parlament hat den Wirtschaftsminister beauftragt, dies nicht zuzulassen.

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Im EU-Rat bahnt sich am Montag ein neuer Eklat rund um die umstrittene Richtlinie über die Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen" an. Nachdem die EU-Kommission den Wunsch des EU-Parlaments abgelehnt hat, das heikle Gesetzgebungsverfahren neu zu starten, will die luxemburgische Ratspräsidentschaft die im Zentrum der Kritik stehende Ratsposition vom Mai auf die Tagesordnung für den Wettbewerbsrat am kommenden Montag setzen. Als so genannter A-Punkt soll der wackelige Standpunkt nach immer wieder neuen Verschiebungen damit entsprechend den Ratsgepflogenheiten doch noch ohne Debatte einfach durchgewunken werden. Dies bestätigte eine Sprecherin des Wettbewerbsrates gegenüber heise online.

Das Europakomitee des dänischen Parlaments hat ebenfalls heute jedoch dem konservativen Wirtschaftsminister Bendt Bendtsen unter anderem mit den Stimmen der Sozialdemokraten und der Sozial-Liberalen Partei die bindende Weisung erteilt, eine neue Verhandlung über die Richtlinie im Wettbewerbsrat einzufordern. Er muss demnach am Montag darauf dringen, dass der Standpunkt zur Softwarepatentrichtlinie als B-Punkt erneut zur Diskussion gestellt wird. Der Rat ist darüber bereits in Kenntnis gesetzt worden. Dazu kommt, dass das niederländische Parlament gestern auf Antrag der Sozialistin Arda Gerkens die Regierung in Den Haag aufgefordert hat, den Antrag eines anderen Mitgliedslands zu Neuverhandlungen über die Ratsposition zu unterstützen.

Hierzulande hat der Bundestag der Bundesregierung vor zwei Wochen ebenfalls den Auftrag erteilt, den Standpunkt des Ministergremiums nicht weiter zu befördern. Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement, der am Montag am Wettbewerbsrat teilnehmen soll, dürfte andernfalls in große Erklärungszwänge gegenüber der rot-grünen Koalition geraten. Ähnliche Anweisungen hat die spanische Regierung, die allerdings schon im Mai 2004 gegen die politische Einigung im Rat gestimmt hatte. Enthalten hatten sich damals neben Dänemark auch Belgien, Italien und Österreich. Diese dürften sich dem Bendtsen aufgezwungenen Begehr anschließen.

Der polnische Minister für Wissenschaft und Technologien der Informationsgesellschaft, Michal Kleiber, hatte bereits vorab erklärt, dass er bei einem Antrag für eine erneute Verhandlung über die Position des Rates zur Softwarepatentrichtlinie mitgehe. Selbst werde Polen, das bei der Abstimmung im Mai angesichts angeblich klarer Stimmverhältnisse gar nicht mehr nach seiner Meinung gefragt worden war, aber nicht noch einmal die Initiative ergreifen. Man könne die Sache nicht allein auskämpfen, hieß es in Warschau. Ein polnischer Regierungsvertreter hatte kurz vor Weihnachten erstmals verhindert, dass der Ratsstandpunkt von den Landwirtschaftsministern abgenickt werden konnte. Auch im Januar und Februar hatten die Polen die offizielle Verabschiedung der Ratsposition wiederholt verzögert. Sie arbeiteten damals noch eine Zusatzerklärung aus. Darin kritisieren sie unter anderem, dass der Ratsstandpunkt vom Mai der Patentierbarkeit von Computerprogrammen nur scheinbar entgegenwirke und die Interoperabilität im Softwarebereich gefährdet sei.

Der Plan der Kommission, die Richtlinie entsprechend den Lobbyingbemühungen insbesondere großer Marktgiganten möglichst rasch durchzudrücken, dürfte mit dem Ausscheren der Dänen im Rat zum Scheitern verurteilt sein. Denn eine Mehrheit, die für die Beibehaltung der Richtlinie als A-Punkt votieren könnte, würde angesichts des zu erwartenden Nachziehens zahlreicher anderer Länder nicht mehr existieren.

Softwarepatentgegner feiern daher bereits den Beschluss der dänischen Abgeordneten, auch wenn der Verlauf der Ratssitzung am Montag noch offen ist. "Dies ist ein Sieg für den demokratischen Prozess", freut sich Ole Tange, Vorstandsmitglied der dänischen IT-Political Association. Hartmut Pilch, Vorstand des Fördervereins für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII), erklärte den heutigen Tag zu einem "Wendepunkt in der Geschichte dieser Richtlinie". Historiker täten seiner Ansicht nach gut daran, ihn auch als "Wendepunkt in der Geschichte parlamentarischer Demokratie in Europa" zu vermerken. Es sei kaum noch zu erwarten, dass eine Mehrheit der Ratsmitglieder den Wunsch Dänemarks und Polens nach Neuverhandlung ablehnen und auf der "Zombie-Übereinkunft" vom Mai bestehen werde.

Zum Thema Softwarepatente siehe auch:

(Stefan Krempl) / (anw)