Anhörung zur Petition gegen Wahlcomputer

Der Online-Petition gegen Wahlcomputer hatten sich binnen sechs Wochen mehr als 45.000 Mitstreiter angeschlossen - im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages blieb für die Diskussion der Eingabe allerdings kaum mehr als eine Viertelstunde.

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Von
  • Richard Sietmann

Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages hat am heutigen Montag Vertreter des Bundesinnenministeriums (BMI) zu der von dem Berliner Mathematiker Tobias Hahn im vergangenen Oktober eingereichten Online-Petition gegen Wahlcomputer angehört, der sich binnen sechs Wochen mehr als 45.000 Mitzeichner angeschlossen haben und die damit, was die Unterstützung angeht, eine der erfolgreichsten Petitionen überhaupt darstellt.

Mit der Begründung, dass die Öffentlichkeit des gesamten Ablaufs von Wahlen ein fundamentales Prinzip der Demokratie ist, hatte Hahn darin den Deutschen Bundestag aufgefordert, durch Gesetz die Aufhebung des § 35 Bundeswahlgesetz zu beschließen, der die Stimmabgabe mit Wahlgeräten zulässt. "Bei Wahlen per Stimmzettel und Urne kann jedermann die Korrektheit des Wahlablaufs von der Aufstellung der Urne bis zur Auszählung und Feststellung des Ergebnisses kontrollieren. Werden Wahlcomputer (Wahlgeräte) eingesetzt, wird ein einfaches, unzählige Male erprobtes, evaluiertes und bewährtes System durch ein komplexes, von nur wenigen Einzelnen überprüfbares System ersetzt". Dies schränke "die Öffentlichkeit und damit die Legitimität von Wahlen unnötigerweise auf gefährliche Weise ein".

Angesichts von insgesamt elf Tagesordnungspunkten im Ausschuss blieb für die Diskussion der Eingabe Hahns kaum mehr als eine Viertelstunde. Die Aussschussvorsitzende Kersten Naumann von der Fraktion Die Linke, die im April mit zu den Initiatoren einer Kleinen Anfrage zur Sicherheit der Wahlcomputer gehörte, erklärte, dass man heute keine abschließende Entscheidung treffen, sondern erst das Ergebnis der Beratungen abwarten wolle. "Der Petitionsausschuss kann die Aufgabe der Fachausschüsse keinesfalls ersetzen", setzte sie vorsorglich hinzu.

Wahlgeräte, zunächst mechanische Geräte, würden bei Bundestagswahlen schon seit den 60er-Jahren eingesetzt, berichtete die im BMI für das Wahlrecht zuständige Leiterin der Abteilung Verfassungsrecht, Cornelia Rogall-Grothe, in der Sitzung, "es sind dann elektronische Wahlgeräte hinzugekommen". Es gäbe Vorwürfe hinsichtlich der Sicherheit der Geräte, doch "uns ist nicht bekannt geworden, dass der Vorwurf der Manipulation erhoben worden sei". Das Öffentlichkeitsprinzip sei gewahrt, "denn die Abläufe im Wahllokal sind jedem bekannt". Auch bei der herkömmlichen Stimmzettelwahl wäre die Öffentlichkeit nicht an jedem Schritt der Vorbereitung beteiligt. Richtig sei, dass die Stimmenzählung im Innern des Geräts erfolge, "aber die Geräte werden, bevor sie zugelassen werden, von der PTB auf ihre Sicherheit geprüft, und wir gehen davon aus, dass die Geräte hinreichend manipulationssicher sind".

Der FDP-Abgeordnete Florian Toncar wandte daraufhin ein, dass seiner Ansicht nach elektronische Geräte mit ihren flüchtigen Datenspuren "schon etwas anderes" seien als die rein mechanischen Zählgeräte der Sechzigerjahre. Der CDU-Abgeordnete Carsten Müller sah in der Petition ein "ernsthaftes Anliegen" und wünschte sich vom BMI "eine etwas ausführlichere Stellungnahme" zu dem in der Presse gemeldeten Wahlcomputer-Hacking durch den Chaos Computer Club (CCC-Stellungnahme an das Bundesverfassungsgericht, PDF 2,5MB), und der Grünen-Abgeordnete Wolfgang Wieland wollte von der BMI-Vertreterin wissen, wo es in der Vergangenheit Probleme mit der Stimmabgabe gegeben hätte. Die große Zahl der Petenten zeige doch ein sehr großes Misstrauen, meinte Wieland – "warum ändern wir ein weltweit bewährtes System?"

Rogall-Grothe verwies auf die Schwierigkeiten, genügend Wahlvorstände zu gewinnen, dies sei "erheblich leichter in den Wahlbezirken, in denen Wahlgeräte eingesetzt werden". Zudem sei es für die Wahlvorstände einfacher, das Ergebnis festzustellen. "Wir halten die Geräte für manipulationssicher", bekräftigte sie die bekannte Haltung des Bundesinnenministeriums; eine hundertprozentige Sicherheit gäbe es bei keiner Art der Stimmabgabe. "Wir meinen, dass die Gefahr beim Einsatz der Wahlgeräte nicht größer ist als bei der Briefwahl."

Professor Dieter Richter, der im Rahmen der Bauartzulassung von Wahlgeräten für die Prüfungen durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) zuständig ist, beklagte, dass die Gefahren des Einsatzes von Wahlgeräten in der Öffentlichkeit verzerrt dargestellt und dabei "wesentliche Elemente immer wieder übersehen" würden. Der Einsatz der Wahlgeräte erfolge in einem bewährten organisatorischen Umfeld – "Es ist ja nicht so, dass die Wahlgeräte auf dem freien Markt stehen" – und anders als bei dem holländischen Nedap-Hack seien die Geräte bei bestimmungsgemäßem Gebrauch ausreichend sicher. "Die unterstellten Gefahren greifen immer erst dann, wenn die begleitenden Sicherheitsmaßnahmen gebrochen werden", und bei denen handele es sich um dieselben wie bei konventionellen Stimmzettelwahlen.

In zwei Punkten hielt Richter die Diskussion jedoch für gerechtfertigt. Er bestätigte den Einwand der SPD-Abgeordneten Gabriele Lösekrug-Möller, ob der Einsatz von Informationstechnik im Wahllokal nicht auf "eine Situation von Hase und Igel" hinauslaufe. Dass die sich weiterentwickelnde Technik stets neue Sicherungsmaßnahmen erfordere, sei "richtig, aber auch nicht neu", und ständig "Gegenstand der Erörterungen". Zudem gäbe es das Mittel der vor jeder Wahl erforderlichen Verwendungsgenehmigung, mit der der Bundesinnenminister bei neu erkannten Mängeln auch bereits zugelassenen Wahlgeräten den Einsatz untersagen könne.

Das gelungene Hacking der Wahlsoftware eines Nedap-Gerätes ohne die Kenntnis des Quellcodes "haben wir für relativ unwahrscheinlich gehalten", konzedierte der PTB-Experte gegenüber den Abgeordneten. Aber der Fall sei nun eingetreten, und man sei am überlegen, "wie man das Polster der Sicherheitsmaßnahmen wieder etwas dicker machen kann". Cornelia Rogall-Grothe bestätigte, dass die Bundeswahlgeräteverordnung zurzeit evaluiert würde, "aber ich kann Ihnen noch nicht sagen, zu welchen Ergebnissen wir kommen".

Als ihm zum Abschluss noch einmal die Gelegenheit zu einer Frage gegeben wurde, wies Petent Tobias Hahn kurz darauf hin, dass der Einsatz von Wahlcomputern jenseits aller technischen Detailfragen doch letztlich auf eine Angelegenheit des Vertrauens hinauslaufe und wollte von den politischen Vertretern wissen, wie sie sicherstellen wollten, dass die Wähler den Geräten vertrauen. Einen Moment lang herrschte betretenes Schweigen. "Ich habe bisher nicht den Eindruck", antwortete Cornelia Rogall-Grothe dann, "dass da ein großes Misstrauen oder Vorbehalte bestehen". Und im Übrigen sei da ja noch die Wahlprüfungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht anhängig. (Richard Sietmann) / (pmz)