Filmstudio

Bewegte Bilder vom Desktop, sogenannte Screencasts, haben nicht nur einen gewissen Unterhaltungswert. Sie eignen sich vor allem zum Illustrieren von Abläufen, etwa in der Ausbildung, für Präsentationen oder zu Dokumentationszwecken.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 4 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Michael Riepe
Inhaltsverzeichnis

Screenshots sind ein bewährtes und beliebtes Mittel zur Illustration. Manche Informationen kann ein statisches Bild jedoch nicht transportieren, darunter den Zusammenhang zwischen Aktionen des Nutzers und Reaktionen des Computers. Will man Abläufe verdeutlichen, eignet sich ein Screencast besser.

Wer seinen Desktop abfilmen will, hat die Wahl zwischen zahlreichen Tools. Kommerzielle Werkzeuge wie das für Windows und Mac OS X erhältliche Camtasia Studio bieten nicht nur eine Aufnahmefunktion, sondern obendrein umfangreiche Funktionen zur Nachbearbeitung [1]. Allerdings benötigen sie eine nicht unerhebliche Einarbeitungszeit. Geht es weniger um Schönheit als darum, das Verhalten eines Programms aufzuzeichnen – etwa zum Demonstrieren eines Bugs –, genügen einfache Tools, die das Geschehen auf dem Bildschirm lediglich in einer Videodatei festhalten.

Unter Windows bietet sich dafür zum Beispiel CamStudio an [a]. Die unter der GNU General Public License (GPL) stehende Software kann in der aktuellen Version 2.6b den gesamten Bildschirm, einen Ausschnitt oder ein bestimmtes Fenster in einer AVI-Datei verewigen – wahlweise mit oder ohne Ton. Letzterer kann von den Lautsprechern oder einem Mikrofon kommen, sodass der Nutzer die Vorgänge auf dem Bildschirm kommentieren kann. Den Cursor kann man verstecken, durch einen anderen ersetzen oder mit einem Highlight versehen, damit er besser sichtbar ist.

Auf Wunsch blendet das Programm sein Hauptfenster bei Beginn der Aufnahme aus; steuern lässt es sich dann über das Tray Icon oder per Tastendruck. Videodateien legt es in einem frei wählbaren Verzeichnis ab. Die AVI-Videodateien lassen sich mit dem beiliegenden CamStudio SWF Producer manuell oder automatisch ins Flash-Format wandeln. Außerdem kann der Nutzer einen Schriftzug oder ein Wasserzeichen einblenden. Capture- und Playback-Geschwindigkeit lassen sich unabhängig voneinander einstellen, sodass man ohne viel Aufwand Zeitraffer- oder Zeitlupen-Aufnahmen anfertigen kann.

Leider gibt es das Programm bislang nicht für andere Betriebssysteme. Linux- und Unix-Anwender können jedoch zum Beispiel auf ffmpeg zurückgreifen [b, c]. Mit der Option –f x11grab fertigt das Programm nämlich auch Mitschnitte vom Desktop an. Dazu muss der Nutzer außerdem mit –s <format> das Bildformat angeben – sowohl <breite>x<hoehe> als auch Kürzel wie cif und svga sind erlaubt – und mit –r <framerate> die Zahl der Frames pro Sekunde und das gewünschte Display wählen, üblicherweise :0.0. Der dazugehörige Ton lässt sich mit –f oss beziehungsweise –f alsa ebenfalls aufnehmen.

Wer nur einen Teil des Desktops filmen will, wählt die Bildgröße entsprechend kleiner und hängt die Koordinaten der linken oberen Ecke im Format +<x>,<y> an das Display-Argument an. Da das voreingestellte Ausgabeformat – MPEG-1-Video mit 200 KBit/s – miserable Bildqualität liefert, sollte man nicht vergessen, ein geeigneteres Format zu wählen oder zumindest mit –b <bit_pro_sekunde> die Bitrate zu erhöhen.

Auf den ffmpeg-Bibliotheken basiert auch das Programm xvidcap [d]. Im Gegensatz zu ffmpeg besitzt es jedoch eine grafische Oberfläche. Der Bildausschnitt lässt sich bequem mit der Maus auswählen. Allerdings unterstützt das Programm nur eine begrenzte Zahl an Ausgabeformaten. Voreingestellt ist ein AVI-Container mit MPEG-4-Video (10 fps) und MP3-Audio, was einerseits die erzeugten Dateien angenehm klein hält, andererseits brauchbare Qualität liefert.

xvidcap kann während der Aufnahme den Mauszeiger ausblenden – eine Funktion, die bei ffmpeg zu fehlen scheint. Hervorheben oder ändern lässt er sich leider nicht. Wie CamStudio kann das Programm sein Hauptfenster minimieren, allerdings lässt es sich nicht per Hotkey steuern, sodass am Ende der Aufnahme doch wieder das Fenster auf dem Schirm erscheinen muss, damit der Nutzer den Stop-Knopf drücken kann. Immerhin wirkt es weniger aufdringlich als das bei ffmpeg obligatorische Terminal-Fenster, das der Nutzer obendrein manuell „wegklicken“ muss.

Ohne störende Fenster arbeitet vnc2flv [e]. Wie der Name andeutet, verbindet sich das Aufnahmeprogramm, das auf den Namen flvrec.py hört, mit einem beliebigen VNC-Server – Zugriff auf den laufenden X-Server unter Linux/Unix gewährt x11vnc [f], sodass auch lokale Mitschnitte möglich sind – und erzeugt ein Video im FLV-Format. Eine Tonspur muss der Nutzer bei Bedarf allerdings nachträglich mit flvaddmp3.py hinzufügen. Unter Linux vereinfacht das beiliegende Shell-Skript recordwin.sh das Erzeugen lokaler Mitschnitte ein wenig: Es started automatisch x11vnc, flvrec.py und das ALSA-Programm arecord zum Aufnehmen des Tons. Außerdem lässt sich per Kommandozeilenoption ein bestimmtes Fenster oder der gesamte Desktop für die Aufnahme auswählen.

[1] Nadine Mintert; Usability; Und Action!; Bildschirmaufzeichnung und Videobearbeitung mit Camtasia Studio; iX 5/2011, S. 67

Alle Links: www.ix.de/ix1202127 (mr)