Microsoft: Vorgetäuschter Bug legte DR-DOS lahm

Kurz vor Beginn der Hauptverhandlung im Kartellverfahren der US-Justiz gegen Microsoft sind erneut schwer belastende EMails

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Von
  • Egbert Meyer

Kurz vor Beginn der Hauptverhandlung im Kartellverfahren der US-Justiz gegen Microsoft sind erneut schwer belastende EMails aus Redmonds Hauspost aufgetaucht. Die Schriftstücke dokumentieren einen perfiden Sabotageplan: Mit einem manipulierten Windows wollten Microsoft-Manager und Programmierer den MS-DOS-Konkurrenten DR-DOS aus dem Geschäft boxen.

Diesmal stammen die sieben Jahre alten Fundstücke aus der Feder von Vice-President David Cole. Ein Schriftstück des hochrangigen Microsoft-Bediensteten legt nahe, daß Programmierer mit Kenntnis der Unternehmensspitze Beta-Versionen von Windows 3.1 im Herbst 1991 vorsätzlich mit einer raffinierten Funktion ausstatteten. Ein vorgetäuschter Bug traktierte User mit Einfrieren des Systems und einer Fehlermeldung, wenn Windows auf ein nach Coles Worten "fremdes Betriebssystem" ("alien operating system") traf. Der Manipulation gingen Befürchtungen voraus, IBM, damals Microsofts wichtigster Kunde, könnte sich von MS-DOS abwenden und auf das leistungsstärkere DR-DOS umsteigen.

Tatsächlich gelang es Andrew Schulman bereits frühzeitig, den ominösen Windows-Bug nachzuweisen. Der Autor des legendären Dr. Dobb's Journal konnte allerdings nicht klären, ob der Fehler auf Nachlässigkeit oder Absicht beruhte. In seiner Code-Analyse konstatierte Schulman 1993, daß der fehlerauslösende Programmteil wie ein Torwächter arbeite und offensichtlich keinen anderen Zweck verfolge, als systematisch Microsoft-fremde Betriebssysteme auszuhebeln.

Microsoft hat mittlerweile die Authentizität einer EMail bestätigt. Das bisher geheimgehaltene Schriftstück fiel den Ermittlern der Federal Trade Commission und des US-Justizministeriums anläßlich eines früheren Kartellprozesses gegen Microsoft in die Hände. Firmensprecher Mark Murray bezeichnete es als "unglücklich", daß das Dokument nun an die Öffentlichkeit gezerrt würde. Immerhin sei das Verfahren aus dem Jahr 1995 mittlerweile abgeschlossen und die Beweismaterialien seien als "gegenstandslos verworfen" worden.

Eine Reihe weiterer Details werden am 8. September in einem Buch der US-Autorin Wendy Goldman Rohm (The Microsoft File: The Secret Case Against Bill Gates; Verlag Random House) der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Microsofts Gegner hocken bereits in den Startlöchern. Neben dem US-Justizministerium liegt auch der derzeitige DR-DOS-Lizenzinhaber Caldera mit Microsoft im Clinch. Für deren Firmenanwälte ist die Cole-EMail offensichtlich ein gefundenes Fressen. Der kleine Softwarehersteller versucht seit 1996 zu beweisen, daß DR-DOS von Microsoft planmäßig bekämpft wird (siehe auch "Microsoft hat den Windows-Quellcode verbummelt"). (em)