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Ein Twitter-Experiment zeigt: Geschickt programmierte Social-Bots können nicht nur Nutzer binden, sondern auch miteinander bekannt machen.

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Von
  • Mike Orcutt

Ein Twitter-Experiment zeigt: Geschickt programmierte Social-Bots können nicht nur Nutzer binden, sondern auch miteinander bekannt machen.

Sollten Sie Twitter nutzen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Sie schon einmal Kontakt mit einem „Twitter-Bot“ hatten. Das ist ein Programm, das Ihre Kurznachrichten automatisch weiterleitet, wenn darin bestimmte Schlagwörter vorkommen. Vielleicht haben Sie auch schon eine ungewöhnliche Nachricht bekommen, hinter der Sie eine Ihnen unbekannte Person vermuteten. Sie sind dem mitgeschickten Link gefolgt und haben erst beim Aufrufen der Seite gemerkt, dass Sie einer Software auf den Leim gegangen sind.

Um die Wirkung solcher Programme zu untersuchen, haben Forscher aus dem Web Ecology Project, einer unabhängigen Forschungsgruppe, Twitter-Bots zu „Social Bots“ weiterentwickelt. Die können nicht nur Nutzer täuschen, sondern fungieren auch als virtuelle Verbindungsglieder, die die Kommunikation zwischen menschlichen Nutzern intensivieren.

Ursprünglich war die Arbeit von den vollmundigen Worten von Social-Media-Beratern angestoßen worden. Die versprechen ihren Kunden gerne, dass sie deren Twitter-Netzwerk wachsen lassen können. Mehr noch, mit der richtigen Technik lasse sich die Interaktion zwischen Nutzern und Marken steigern.

„Viele Leute behaupten, sie seien wirklich gut darin, eine Community an sich zu binden“, sagt Tim Hwang, einer der beteiligten Forscher. Er und seine Kollegen hätten sich deshalb gefragt, wie man solche Behauptungen messen könnte.

In einem ersten Experiment stellte das Web Ecoloy Project Teams zusammen, die darum wetteifern mussten, die meisten direkten Antworten auf Twitter zu erhalten. Solche Antworten beginnen mit dem „@“-Zeichen, gefolgt vom Nutzernamen. Einige Teams versuchten es mit Bots und stellten fest, dass sie damit besser abschnitten.

Gemeinsam mit zwei Kollegen hob Hwang daraufhin die Pacific Social Architecting Corporation aus der Taufe, um Social-Bots zu untersuchen und weiterzuentwickeln. Sie setzten weitere Experiment auf, um herauszufinden, ob Social-Bots auch Verbindungen zwischen Menschen vermitteln können.

In einer Anordnung beobachteten sie 2700 Twitter-Nutzer, die sie in Zufallsgruppen von jeweils 300 Nutzern unterteilten. Das Experiment dauerte 54 Tage. Die ersten 33 Tagen dienten als Kontrollzeitraum, in dem noch kein Social-Bots eingesetzt wurden. Für die restlichen 21 Tage aktivierten sie dann neun Bots, einen für jede Gruppe.

Jeder Bot war so programmiert, dass er Nachrichten einfach nur retweeten, aber auch Menschen „vorstellen“ konnte. Dies geschah, indem die Software auf eine Nachricht antwortete und in der Antwort einen anderen Nutzer erwähnte.

Im Durchschnitt bekam jeder Bot 62 Follower – Twitter-Nutzer, die seine Nachrichten abonniert haben – und erhielt 33 Tweets, die ihn erwähnten oder direkt ansprachen. Vor allem aber änderte sich die Kommunikation innerhalb der Gruppen, sobald die Bots mit im Spiel waren. Gegenüber dem Kontrollzeitraum nahm die Anzahl neuer Follow-Vorgänge zwischen den Gruppenmitgliedern um 43 Prozent zu. Eine Gruppe stach allerdings mit einer Zunahme von 355 Prozent heraus.

Das Ergebnis haben die Forscher in einem Netzwerk-Graph dargestellt (siehe Bilder). Blaue Punkte (mathematisch: „Knoten“) repräsentieren menschliche Nutzer, grüne die Bots. Je größer und dunkler ein Punkt ist, desto mehr Follower hat der entsprechende Akteur bei Twitter. Die Linien zwischen den Punkten (mathematisch: „Kanten“) stellen die Verbindungen zwischen Nutzern dar. Eine dunkelblaue Linie symbolisiert eine Follow-Verbindung mit einem Nutzer, der selbst viele Follower hat. Analog sind die Verbindungen zwischen Nutzern und Bots grün eingefärbt. Die räumliche Ausrichtung wurde mit Hilfe eines so genannten Force-based-Algorithmus ermittelt.

Graph der Twitter-Beziehungen am 54. Tag des Experiments, mit Bots (grün).

(Bild: Max Nanis und Ian Pearce)

Graph der Twitter-Beziehungen am 54. Tag des Experiments, ohne Bots.

(Bild: Max Nanis und Ian Pearce)


„Diese Ergebnisse markieren die ersten erfolgreichen Versuche, die Topologie von Online-Communities programmiert und automatisiert zu formen“, schreiben Max Nanis, Ian Pearce and Tim Hwang. Social-Bots seien ein nachweisbar wirksames Mittel, um mit Nutzern zu interagieren und neue Follower zu gewinnen. Warum einige der untersuchten Bots allerdings erfolgreicher waren als andere, muss nun in weiteren Arbeiten untersucht werden.


Das Paper:
Nanis, Max et al.: "PacSocial: Field Test Report". ()