Putin und Gorbatschow kritisieren Microsoft

In Russland steht ein Lehrer vor Gericht, weil Raubkopien auf Schulcomputern installiert waren.

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Von
  • Florian Rötzer

In Russland sorgt eine angeblich von Microsoft angestrengte Klage gegen Alexander Ponosov, den Leiter einer Mittelschule in Sepischewo im Ural, für Aufruhr bis zu den höchsten politischen Spitzen. Ponosov wird beschuldigt, auf 12 Computern einer Klasse Raubkopien von Windows und Office verwendet zu haben. Der Lehrer hatte die Computer gekauft, ohne zu wissen, dass es sich bei dem Betriebssystem um Raubkopien handelte. Microsoft fordert 266.000 Rubel (7.750 Euro) Schadensersatz. Bei dem Fall geht es auch um den WTO-Beitritt Russlands. In den Verhandlungen für den Beitritt hat sich Russland verpflichtet, verstärkt gegen Raubkopien vorzugehen und den Schutz des geistigen Eigentums zu verstärken. Das ist vor allem eine Forderung der US-Regierung.

Selbst der russische Präsident Putin sprach hinsichtlich der Klage von "Unsinn" und "lächerlich". Die russische Regierung setze sich zwar für den Schutz des geistigen Eigentums ein, aber man dürfe dies nicht "formalistisch" machen. Er kenne zwar die Einzelheiten des Falls nicht genau, aber man sollte wie bei der Drogenbekämpfung nicht die Verbraucher verfolgen, "sondern diejenigen, die Drogen verbreiten und herstellen". Ponosov muss, sollte er verurteilt werden, eine Gefängnisstrafe bis zu fünf Jahren fürchten.

Mittlerweile hat sich auch Michael Gorbatschow, der ehemalige Präsident der Sowjetunion und Friedensnobelpreisträger, für den Lehrer eingesetzt und einen offenen Brief an Bill Gates geschrieben. Viele Menschen in Russland, so Gorbatschow, würden in diesem Vorgehen gegen den Lehrer, der sein Leben der Ausbildung von Kindern widmet und ein bescheidenes Gehalt erhält, das selbst mit dem Einkommen der gewöhnlichen Microsoft-Mitarbeiter unvergleichbar sei, einen "skandalösen Fall" sehen. Dieser Lehrer werde mit einer Gefängnisstrafe in einem sibirischen Lager bedroht, obgleich er nur Computer für eine Klasse gekauft habe, auf denen die Raubkopien vorinstalliert waren. Microsoft wolle mit der Klage gegen den Lehrer einen Präzedenzfall zur Verfolgung unwissender Benutzer setzen. Gorbatschow erklärt gegenüber Gates, dass er die größte Achtung vor der geleisteten Arbeit von Microsoft habe und keineswegs Verstöße gegen das geistige Eigentum rechtfertigen wolle, aber dass er ihn in diesem Fall um Nachsicht und den Rückzug der Klage bitte.

Microsoft versucht, sich von dem Fall zu distanzieren. Der Konzern lobt die russische Regierung in ihren Bemühungen, das geistige Eigentum zu schützen, legt aber die Verantwortung für die Verfolgung des Lehrers in die Hände der russischen Justiz: "Der Fall Ponosov ist ein krimineller Fall und wurde als ein solcher vom Büro der Staatsanwaltschaft in Russland begonnen und untersucht." Man sei sicher, dass "die russischen Gerichte eine faire Entscheidung treffen" werden, erklärt der Konzern.

Ponosov erklärt, er sei keines Vergehens schuldig, sein einziger Fehler sei gewesen, die Software nicht überprüft zu haben. Die Raubkopien hätten sich bereits beim Kauf auf den neuen Computern befunden, als die Schule im Sommer 2005 begonnen hatte. Er selbst habe davon erst im Mai 2006 erfahren.

Für den Lehrer setzt sich etwa die staatliche russische Behörde für Massenkommunikation ein. Sie bot ihm Unterstützung und die Zahlung der 266.000 Rubel an. Man könne den Lehrer nicht als den "höchsten Piraten des geistigen Eigentums des Landes" betrachten, erklärte der Behördenleiter Seslavinsky: "Wenn wir die Benutzer mit der vollen Härte des Gesetzes bestrafen, dann könnte die Hälfte der Bevölkerung, die Angestellten des Justizwesens eingeschlossen, im Gefängnis enden." Ilya Kleiman vom Kultusministerium sieht in dem Lehrer einen Sündenbock, da 90 Prozent der Unternehmen Raubkopien benutzen würden. Man habe allerdings nach der Klage damit begonnen, die Software in den Schulen zu überprüfen. (fr)