SPD-Politiker plädieren für hohe Gesetzeshürden bei Online-Durchsuchungen

Während SPD-Politiker vor Schnellschüssen warnten, unterstützen die Innenminister Bayerns und Niedersachsens Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble in seiner Forderung nach einer schnellen gesetzlichen Regelung, die eine Online-Dursuchung ermögliche.

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Von
  • Jürgen Kuri
SPD-Politiker haben hohe gesetzliche Hürden für heimliche Online-Durchsuchungen gefordert. "Online-Durchsuchungen müssen die Ausnahme bleiben", sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, der Berliner Zeitung. "Und der private Lebensbereich muss ein absolutes Tabu sein." Zudem dürften die Ermittler dieses Instrument nur auf Anordnung eines Richters anwenden. Darüber hinaus müsse der Verdächtige benachrichtigt werden. Wiefelspütz hatte nach der gestrigen Entscheidung des BGH gegen Online-Durchsuchungen aber auch betont, dass die Möglichkeiten einer verdeckten Online-Untersuchung, gestützt durch einen Richtervorbehalt, dringend gebraucht würden. Der schleswig-holsteinische Innenminister Ralf Stegner (SPD) warnte vor Schnellschüssen. "Gesetzgeberischer Aktionismus ist nicht angebracht", sagte er dem Blatt. Stegner verwies darauf, dass die Polizei bereits jetzt über viele Möglichkeiten verfüge, Straftaten im Internet, wie etwa Kinderpornografie, zu verfolgen. "Die Hürden für Computer-Durchsuchungen müssen hoch sein."
Die Gewerkschaft der Polizei allerdings warnte vor einer verstärkten Verschiebung der Kriminalität ins Internet. "Ganze Kriminalitätsbereiche verlagern sich ins Internet", sagte Gewerkschaftschef Konrad Freiberg der Thüringer Allgemeinen. Dies erschwere die Strafverfolgung: Wenn ein Verdächtiger vor einer Hausdurchsuchung seine Festplatte mit dem richtigen Programm überschreibe, sei darauf nichts mehr zu finden. "Wir brauchen die Möglichkeit, auch in der virtuellen Wohnung gerichtsverwertbare Beweise zu sammeln."
Die Innenminister Bayerns und Niedersachsens unterstützen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble in seiner Forderung nach einer schnellen gesetzlichen Regelung, die eine Online-Dursuchung ermögliche. "Wenn es um Lebensgefahren und Terrorismus, Kinderpornos geht, können wir darauf nicht verzichten", sagte Günther Beckstein (CSU) der Münchner Abendzeitung. Sein niedersächischer Kollege Uwe Schünemann (CDU) meinte, er sei froh, dass sich der Bundesinnenminister und auch die SPD zügig an die Erarbeitung eines Gesetzes machen wollten.
Der IT-Brancheverband Bitkom begrüßte zumindest das Urteil des BGH: "Verdeckte staatliche Zugriffe würden das Vertrauen von PC-Nutzern in den Schutz ihrer Privatsphäre im Internet zerstören", hieß es beim Bitkom. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) appellierte an das Innenministerium, den Richterspruch zu akzeptieren. Für die Medien bedeute das Urteil einen ersten Schritt zur Stärkung des Quellenschutzes und damit auch der Pressefreiheit, erklärte der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) in Berlin.
Der Bundesgerichtshof hatte am gestrigen Montag entschieden, dass heimliche Online-Durchsuchungen von privat oder geschäftlich genutzten PCs durch die Polizei unzulässig sind. Die Durchsuchung der im Computer eines Beschuldigten gespeicherten Daten sei nicht durch die Strafprozessordnung gedeckt. Diese erlaube nur eine offene Durchsuchung. Es fehle an der für einen solchen Eingriff erforderlichen Ermächtigungsgrundlage.
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hat ebenfalls gestern bereits angekündigt, schnell eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, damit heimliche Online-Durchsuchungen durch die Strafverfolgungsbehörden möglich werden; diese Maßnahme sei unverzichtbar. Im nordrhein-westfälischen Verfassungschutzgesetz ist diese Möglichkeit zur Online-Durchsuchung bereits festgehalten; dagegen ist eine Verfassungsklage in Vorbereitung. Schäuble hatte die Möglichkeit für einen "Bundestrojaner" in seinem 132 Millionen Euro schweren Programm zur Stärkung der inneren Sicherheit angesprochen. Als "Bundestrojaner" wird inoffiziell der Teil eines Programmes bezeichnet, der Spyware-Code auf einen PC einschleust, damit eine Online-Durchsuchung durch die Strafverfolgungsbehörden oder Geheimdienste möglich wird. Für die Programmierung der Software hält das Bundesinnenministerium zwei Programmierstellen für notwendig. Insgesamt soll das Tool zur Online-Durchsuchung nicht mehr als 200.000 Euro kosten.
Siehe dazu auch:
  • Schäuble heizt nach BGH-Urteil Debatte um Online-Durchsuchung an
  • Heimliche Online-Durchsuchungen sind unzulässig
  • Harsche Kritik an Online-Durchsuchungen
  • Bundesgerichtshof entscheidet über Online-Durchsuchungen
  • Schäuble: Biometriepässe stärken den Datenschutz
  • Zwei Programmierstellen für den "Bundestrojaner"
  • Verfassungsbeschwerde gegen NRW-Verfassungsschutzgesetz angekündigt
  • NRW-Landtag verabschiedet Verfassungsschutzgesetz
  • Datenschutzbeauftragter kritisiert Online-Durchsuchungen privater Computer
  • Fraktionen streiten über Online-Durchsuchung von Privat-Computern
  • BGH verbietet Online-Durchsuchung von Computersystemen
  • Schäuble: Internet ist "Fernuniversität und Trainingscamp" für Terroristen
  • Verfassungsschutz, Online-Durchsuchungen und die Verfassung
  • NRW-Verfassungsschutzgesetz wird Landtag erneut beschäftigen
  • Online-Durchsuchung von PCs durch Strafverfolger und Verfassungsschutz
  • Angeblich 200.000 deutschsprachige Bombenbauanleitungen im Netz
  • Thüringens Innenminister für mehr Internet-Überwachung
  • Bundestag verabschiedet neue Anti-Terrorgesetze
  • Nur geringfügige Korrekturen am neuen Anti-Terrorpaket
  • "Wir brauchen überwachungsfreie Räume"
  • Streit um die Zukunft des Anonymisierungsdienstes AN.ON
  • Bundesländer wollen Videoüberwachung ausweiten
  • Bundesjustizministerium plant Neuregelungen für verdeckte Ermittlungsmaßnahmen
  • Nutzerlobby gegen Lizenz zur "Dauerüberwachung" im Internet
  • Deutschland ist führend bei der inneren Sicherheit
  • Vorratsdatenspeicherung soll auch für Anonymisierungsdienste gelten
  • Merkel plädiert für mehr Überwachung trotz hoher Sicherheit
  • Zur Überwachung von Internet-Nutzern und der Datensammelei im Web siehe auch den Schwerpunkt "Deine Spuren im Netz" in der aktuellen Ausgabe von c't:
    • Verfolgerwahn, Wie Online-Nutzer die Kontrolle über ihre Daten zurückgewinnen können, c't 24/06, S. 202
    • Im Visier der Strafverfolger, Staatlicher Zugriff auf Anonymisierungsserver, c't 24/06, S. 208
    • Globale Rasterfahndung, Privatfirma sammelt und verkauft Daten, c't 24/06, S. 202
    • Big Brother 2.0, Der Bürger im Fadenkreuz der Terrorismusbekämpfung, c't 24/06, S. 202
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  • 132 Millionen Euro für schärfere Überwachungsmaßnahmen freigegeben
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  • Die Ausdehnung der Anti-Terrorgesetze und der gläserne Nutzer
  • Scharfe Kritik an geplanter Ausweitung der Anti-Terrorgesetze
  • Große Koalition über Verschärfung der Anti-Terrorgesetze einig