Koalitionsantrag für offene IT-Standards sorgt weiter für Wirbel

Auch der neue Verweis auf Vorgaben der "internationalen Standardisierungsorganisationen" bei der Definition "offener" Standards für Dokumentenformate schließt Kritikern zufolge eine Gebührenpflicht keineswegs aus.

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Kerndefinitionen im Antrag der großen Koalition zur Förderung offener Dokumentenstandards in Wirtschaft und Verwaltung sind nach wie vor heftig umstritten. Die aktuelle, von der CDU/CSU-Fraktion gerade noch tolerierte Kompromissformel sieht zwar nicht mehr wie ursprünglich vor, dass die Nutzung offener Standards nur zu "fairen und diskriminierungsfreien Konditionen"lizenziert werden muss. Doch auch die neue Formulierung, wonach die "Ausgestaltung der Nutzungsbedingungen den Vorgaben der internationalen Standardisierungsorganisationen entsprechen soll", stößt auf Ablehnung beim Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII). Letztlich werde auch damit eine so genannte "RAND"-Lizenzierung (Reasonable And Non-Discriminatory) nahe gelegt, wonach Nutzer eines Standards üblicherweise dafür Geld bezahlen oder sonstige Leistungen erbringen müssen.

Die Autoren der Änderungsklausel beziehen sich dem FFII zufolge offensichtlich auf eine gemeinsame Absprache zwischen den drei altehrwürdigen Institutionen IEC (International Electrotechnical Commission), ISO (International Organization for Standardization) and ITU (International Telecommunication Union), die oft als "die internationalen Standardisierungsorganisationen" bezeichnet werden. Nach dieser aktuellen Vereinbarung haben sich die drei Einrichtungen auf einen gemeinsamen Ansatz zum Verfahren mit Patentansprüchen geeinigt. So dürfen "innovative Technologien" von Unternehmen in ihre Standards integriert werden, solange das geistige Eigentum unter besagten RAND-Bedingungen zur Verfügung gestellt wird. Der Verweis würde "offene" Standards folglich weiterhin mit einer möglichen Gebührenpflicht in Verbindung bringen. Solche Konditionen sind nach Ansicht des FFII und weiterer Initiativen wie patentfrei.de oder der Free Software Foundation Europe (FSFE) aber mit freier Software, wie sie der Bundestag etwa für seine Server einsetzt, nicht vereinbar.

Im Bereich der Telekommunikation seien gebührenpflichtige Standards oft angesichts bestehender Patentdickichte unvermeidbar und auch weniger schmerzhaft, führt der FFII weiter aus. Beim Internet und bei Dokumentformaten würden alle entscheidenden Organisationen von ISO über OASIS (Organization for the Advancement of Structured Information Standards) bis zum W3C (World Wide Web Consortium) dagegen bislang erfolgreich nach gebührenfreien Standards streben. Die bisherigen Dokumentenformat-Standards, auf die sich der Bundestagsantrag beziehe, seien auch gebührenfrei.

Das W3C, in dem Deutschland über die Fraunhofer-Gesellschaft vertreten ist, hat sich laut FFII sogar verpflichtet, generell keine Bezahl-Standards zu akzeptieren. Die große Koalition solle an diesem entscheidenden Punkt deswegen endlich Klarheit schaffen und sich der etablierten EU-Standard-Definition für E-Government-Dienste anschließen, wonach gewerbliche Schutzrechte in offenen Standards "unwiderruflich gebührenfrei" für die Nutzung zur Verfügung gestellt werden müssen. Auf vergleichbare Formulierungen pochen auch die Oppositionsparteien. (Stefan Krempl) / (jk)