Positivpreis für Handy-Patenschaft bei Schweizer Big Brother Awards

Die Schlacht um die Big Brother Awards der Schweiz ist geschlagen. Zu den Negativpreisen fürs Schnüffeln gesellt sich auch ein Positivpreis.

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Die Schlacht um die Big Brother Awards der Schweiz ist geschlagen. Am Samstagabend wurden im Zürcher Kulturzentrum Rote Fabrik die Gewinner bekannt gegeben. Je einen formschönen Betonpokal samt schriftlicher Würdigung ihres Einsatzes für den Überwachungsstaat erhielten die Gemeinde Emmen, die Postfinance und der Bundesanwalt. Der Lebenswerk-Award wurde dem Bieler Polizeidirektor Jürg Scherrer zugesprochen, der sich in seiner Funktion als Vertreter der Freiheits-Partei seit Jahren für die Kameraüberwachung des öffentlichen Raumes einsetzt. Die rechte Partei wurde 1985 unter dem Namen Autopartei als Gegenpol zu den Grünen gegründet. Neben diesen vier Negativpreisen vergaben die Organisatoren, bestehend aus dem Archiv Schnüffelstaat Schweiz (ASS), der Swiss Internet User Group (SIUG) sowie dem Kulturzentrum Rote Fabrik, auch den Positivpreis Winkelried-Award. Mit dieser nach der mythischen Figur des Arnold Winkelried benannten Auszeichnung ehrten sie die Menschrechtsgruppe augenauf sowie die St. Gallener IG ohne Willkür.

In der Schweiz besteht eine Registrierungspflicht für Prepaid-Handys. Die Rechtslage verbietet Mobilfunk-Anbietern, die staatlichen Ausweise von Asylbewerbern, vorläufig Aufgenommenen und Schutzbedürftigen für eine Registrierung zu akzeptieren. Gleichzeitig sind nur wenige der 60.000 Betroffenen finanziell in der Lage, die Kaution für einen Festnetzanschluss oder ein Postpaid-Handy zu hinterlegen. Um ihnen dennoch Zugang zu einem Telefon zu ermöglichen, haben Vertrauenspersonen von augenauf etwa 3000 Telefonnummern entgegengenommen, um diese anschließend unter ihrem Namen registrieren zu lassen. Diese öffentlichen Aktionen begeisterten viele Schweizer, sodass augenauf auch die Publikumswahl für den Haupt-Winkelried des Jahres 2005 gewann. Das Engagement der IG ohne Willkür gegen ein neues Polizeireglement war indes nicht von Erfolg gekrönt. Nun dürfen in St. Gallen Menschen alleine aufgrund des polizeilichen Verdachts, dass sie die öffentliche Ruhe stören könnten, aus bestimmten Stadtgebieten verwiesen werden. Außerdem werden die Bilder der Überwachungskameras 60 Tage lang aufbewahrt.

Die Postfinance sackte den Negativpreis Business Award ein, weil sie Transaktionsdaten illegal an US-Finanzbehörden weitergegeben hat. Damit schlug sie knapp die neue Berner Sportarena Stade de Suisse, wo systematisch Daten der Besucher gesammelt werden. Die Gemeinde Emmen obsiegte beim Staats-Award, indem sie den ehemaligen Polizeibeamten Christoph Odermatt (31) als Sozialinspektor zur Überwachung der rund 1.100 Sozialhilfeempfänger einstellte. In den ersten fünf Monaten seiner Tätigkeit deckte er durch Nachforschungen, Hausbesuche und Verhöre sieben Missbrauchsfälle auf [PDF-Dokument]. Die Kosten für seine Tätigkeit liegen deutlich über den damit erzielten Einsparungen. Auf den Rängen landeten die Bundespolizeistelle Dienst für Analyse und Prävention für das Anwerben von jungen Spitzeln, sowie das Stadtparlament St. Gallen (siehe oben).

Der Arbeitsplatz-Award schließlich wurde Bundesanwalt Valentin Roschacher (45) zugesprochen. Er hatte im vergangenen Dezember die Papierkörbe von zirka 100 Mitarbeitern der Bundesanwaltschaft "präventiv" durchsuchen lassen. Eine Begründung für diese ohne Rechtsgrundlage erfolgte Schnüffelei gab er weder Medienvertretern noch den Betroffenen. Sein Pressesprecher gab an, dass überprüft worden sei, ob die Mitarbeiter die "operationellen Papiere" vorschriftsgemäß vom gewöhnlichen Abfall trennen würden. Diese Kontrollen seien Routine.

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(Daniel AJ Sokolov) / (atr)