"Traditionelles Risikokapital verliert"

Für die aktuelle Generation von Internet-Gründern ist das Einwerben ausreichender Finanzmittel ein vergleichsweise kleines Problem. Wichtiger sei da schon das Know-how, das man ihnen mitgebe, sagt der Risikokapitalexperte Naval Ravikant.

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Von
  • Tom Simonite

Für die aktuelle Generation von Internet-Gründern ist das Einwerben ausreichender Finanzmittel ein vergleichsweise kleines Problem. Wichtiger sei da schon das Know-how, das man ihnen mitgebe, sagt der Risikokapitalexperte Naval Ravikant.

Die großen Risikokapitalfirmen im Silicon Valley machen traditionell ihr Geld mit der Finanzierung von Firmen, die mit neuen Geschäftsideen etablierte Industrien revolutionieren. Doch diese Torwächter des Technik-Business werden mittlerweile zunehmend selbst herausgefordert: Neue, schnellere Finanzierungsmodelle ziehen immer mehr junge Gründer an.

Start-up-Inkubatoren wie Y Combinator stecken Unternehmer zunächst in eine Art High-Tech-Bootcamp und verlangen dafür trotzdem nur relativ kleine Geschäftsanteile. Für viele dieser Start-ups ist AngelList dann der nächste Ansprechpartner – ein soziales Netzwerk für Business-Angels und Unternehmer, bei dem junge Leute sich nach Finanzierungsmöglichkeiten umsehen können, ohne dass sie über Kontakte in das Old-Boys-Netzwerk der Risikokapitalgeber verfügen müssen.

AngelList-Mitbegründer Naval Ravikant erläutert im Interview mit Technology Review, wie die nächste Generation der Silicon-Valley-Chefs ihr Geschäft erlernt – und warum Kapital mittlerweile das geringste Problem darstellt.

Technology Review: Herr Ravikant, was wollen Sie mit AngelList konkret erreichen?

Naval Ravikant: Wir wollen den Zugriff auf Kapital demokratisieren und das Ökosystem, das es im Silicon Valley seit langem gibt, online bringen. Erfolg sollte künftig nicht mehr davon abhängen, wen man kennt. Dieser schmerzhafte Prozess über ein oder zwei Jahre, bei dem Gründer zunächst mühsam ein Netzwerk aus Kontakten aufbauen müssen, um glaubwürdig zu erscheinen, muss nicht sein.

Stattdessen wollen wir, dass das eigentlich Wichtige, die eigene Arbeit, genommen werden kann, um sie der Welt zu zeigen. Die kann dann entscheiden, ob das, was man machen will, eine tolle Sache ist. Investoren sollten die Unternehmer finden müssen, nicht umgekehrt. Wir haben 20.000 Start-up-Profile auf der Seite. Jeden Tag erhält mindestens eines davon Geld, manchmal sind es auch zwei.

TR: Viele der Firmen, über die man im Silicon Valley aktuell spricht, kamen aus Inkubatoren. Warum sind die so erfolgreich darin, Unternehmer anzuziehen?

Ravikant: Die Kosten für den Aufbau einer Firma sind auf ein Minimum geschrumpft. Heute kann jeder durchschnittliche 22jährige ein Unternehmen ohne viel Geld gründen, es kostet nur etwas Zeit und Mühe. Man muss aber erst einmal lernen, wie man eine Firma einrichtet, wie man Investoren findet, wie man Mitarbeiter anwirbt. Es braucht Wissen in den Bereichen praktische Umsetzung und Design. Ich sehe Inkubatoren deshalb als eine Art Turboschulung für diese Entrepreneure.

TR: Werden die Gründer von Technikfirmen deshalb immer jünger?

Ravikant: Ja. Firmen gründen konnten sie ja eigentlich schon immer, das ist keine Zauberei. Aber heute haben sie die Mittel und die Werkzeuge, es richtig zu machen. Fast alle großartigen IT-Unternehmen wurden von sehr unerfahrenen Gründern gestartet, Steve Jobs, Larry Ellison und Bill Gates kann man hier nennen, also Apple, Oracle und Microsoft. Viele dieser jungen Leute, die aus dem College kommen, haben absolut das Zeug, Unternehmer zu sein. Sie brauchen eben nur noch ein bisschen praktisches Training dazu.

TR: Und was ist mit den Business Schools? Braucht es keine MBA-Abschlüsse mehr?

Ravikant: Ich denke, dass Inkubatoren dies im Großen und Ganzen ersetzen. Die Theorie war, dass man sich einen MBA holt, um etwas über Unternehmertum zu lernen. In der Realität sieht es doch aber so aus, dass man dabei zwei Jahre seines Lebens und bis 200.000 US-Dollar dafür aufwendet, sich das alles von Leuten anzuhören, die nie in ihrem Leben selbst gegründet haben. Heute entwickeln sich die Dinge sehr, sehr schnell. Bei einem Inkubator lernt man das – und zwar zusammen mit anderen Menschen, denen es ganz ähnlich geht. Und das in einem Umfeld, in dem es schon echten Druck gibt, Produkte fertigzustellen und Terminpläne einzuhalten.

TR: Werden diese jungen Gründer auf längere Sicht selbst neue Risikokapitalgeber werden?

Ravikant: Das passiert doch schon. Je früher diese Menschen ihr erstes größeres Vermögen machen, desto früher werden sie sich auch selbst als Geldgeber engagieren – ausgestattet mit einem breiten Beziehungsnetzwerk. Und sie werden dabei nicht einfach Teil einer größeren, alten Venture-Capital-Firma werden wollen. Die wollen ihr eigenes Ding machen. Die sogenannten Super-Angel- oder auch Seed-Fonds werden mittlerweile oft von Leuten gegründet, die ein bisschen zu jung sind, um in das traditionelle Risikokapitalgeschäft zu passen.

TR: Das klingt alles sehr optimistisch. Was ist mit der Warnung einiger Experten, dass sich wieder eine Blase aus jungen Start-ups aufbaut, die niemals Geld verdienen werden?

Ravikant: Die Zahl der Wettbewerber ist mittlerweile so groß, dass das Feld tatsächlich sehr überfüllt aussieht. Einige Leute sagen, dass es einfach zu viel Grundrauschen gibt und viele dieser Firmen untergehen werden. Allerdings sind die Kosten für ein solches Unternehmensversagen inzwischen eher gering, weil die Investitionen vergleichsweise klein sind. Was kann man also wirklich verlieren? Die Leute kriegen dann eben einen anderen Job oder gründet eine neue Firma. (bsc)