Vor 40 Jahren: Was diese Welt braucht, ist Liebe

Am 25. Juni 1967 wurde unter der Federführung der britischen BBC die weltumspannende Live-Sendung Our World ausgestrahlt, für die erstmals geostationäre Satelliten zum Einsatz kamen.

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Von
  • Detlef Borchers

Heute vor 40 Jahren konnten die fernsehenden Menschen erstmals erfahren, dass sie Teil einer globalen elektronischen Kultur sind, die alle Menschen zusammenbringt: Am 25. Juni 1967 wurde unter der Federführung der britischen BBC die weltumspannende Live-Sendung Our World ausgestrahlt, an der sich 19 Nationen rund um den Globus beteiligten. Über 400 Millionen sahen die Sendung, für die die Beatles eigens ein Lied komponiert hatten. All you need is love wurde live uraufgeführt, mit den Rolling Stones, Marianne Faithful und Eric Clapton als Background-Chor.

Technisch möglich wurde die rund um den Globus wandernde Sendung durch den erstmaligen Einsatz von geostationären Satelliten, die zuerst vom Science-Fiction-Autor Arthur C. Clarke vorgeschlagen worden waren. Ganz wie Clarke es prognostiziert hatte, brauchte es drei Satelliten (Intelsat I, Intelsat II und ATS-1), um eine Live-Sendung überall auf dem Globus verfügbar zu machen. Über 10.000 Techniker, Kameraleute, Toningenieure und Übersetzer sorgten dafür, dass das Spektakel reibungslos über die Bühne ging und jedes "Segment" von jedem der 14 teilnehmenden Länder in insgesamt 34 ausstrahlenden Ländern zu sehen war.

Inhaltlich beruhte die Sendung auf einem Vorschlag des britischen TV-Produzenten Aubrey Singer, der eine Idee des Medientheoretikers Paddy Whannel aufgriff. Der Marxist Whannel leitete damals das British Film Institute und sprach sich in der Tradition der Arbeiterfotografie dafür aus, dass Menschen auf der ganzen Welt bei ihrer Arbeit und ihren Freizeitvergnügungen gezeigt werden müssen, keine Politiker mit Reden über eine verbrüderte Welt. Tatsächlich traten in der Live-Sendung dann keine Politiker auf, nur aus den USA kam ein kleiner Verstoß: Man zeigte ein Haus, in dem sich der amerikanische Präsident Lyndon Johnson und der sowjetische Premierminister Alexei Kossigin unterhielten.

Die Politik war dennoch gleich mehrfach im Spiel, als "Our World" gesendet wurde. Eine Woche vor dem Start der Live-Sendung zogen die Ostblockstaaten ihre Zusage zurück, aus ihren Ländern das Leben der Menschen zu übertragen. Damit protestierten sie gegen den israelischen Sechstagekrieg. Noch während der Sendung drohte die USA, aus dem Projekt auszusteigen: Allzu deutlich war es, dass das "All you need is love" der Beatles ein Protestsong gegen den Vietnamkrieg war, der damals seinem Höhepunkt entgegensteuerte.

In historischer Perspektive war der Auftritt der Beatles sicherlich der Höhepunkt der Live-Sendung, doch wer damals stundenlang vor der schwarzweiß übertragenden Flimmerkiste saß, erinnert sich noch an andere einprägsame Bilder. Der Auftritt zweier unglaublich dicker Opernsänger in einer Probe von "Madame Butterfly" gehört dazu, ebenso die Live-Übertragung einer Geburt, gegen die die katholische Kirche protestierte. Im deutschen Segment wurde aus Bayreuth etwas von Wagner gesendet. Unter den Credits finden sich der Regisseur Wolfgang Wagner und der Dirigent Rudolf Kempe. Während sich jeder an die Beatles erinnert, weiß niemand mehr genau, was aus Deutschland kam – das Deutsche Rundfunkarchiv wollte gegenüber heise online keine Auskunft geben.

Auch theoretisch hatte die Sendung einen Höhepunkt. Im kanadischen Segment kam der damals noch recht unbekannte Medientheoretiker Marshal McLuhan zu Worte. Er ließ es sich nicht nehmen, im Gespräch mit dem Moderator seine Thesen von der elektrischen Gesellschaft zu erläutern, in der jede Kultur zu Worte kommt und im Dialog aller mit allen ein Röntgenbild der Weltgesellschaft entsteht: "Beschleunigung ist wundervoll", erklärte der Erfinder des Schlagwortes vom "globalen Dorf". Sein Fernsehauftritt brachte ihn anschließend auf die Titelseite von Magazinen wie Newsweek.

Der große Erfolg von "Our World" veranlasste die Fernsehsender, über weitere internationale Koproduktionen nachzudenken. In der Tradition der Sendung war es dann die Live-Übertragung der Olympischen Sommerspiele 1968, die die Welt wieder zusammenbrachte. Der Black-Power-Protest von Tommie Smith, John Carlos und des in die Aktion eingeweihten Peter Normann (er trug einen Friedenszweig am Trainingsanzug) ging rund um die Welt.

In der Tradition von "Our World" wurde zum 30. Jahrestrag der One Web Day ausgerufen, diesmal nicht als Produkt der Fernsehanstalten, die heute auf Biegen und Brechen das Internet erstürmen wollen. Die US-amerikanische Zeitschrift Fortune rief diesen Internettag am 11. Juli 2007 aus. Doch dazu später mehr. (Detlef Borchers) / (jk)