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Was war. Was wird.

Während Aushilfshausmeister Horst in Berlin-Schmargendorf das Bobbycar in den Umzugswagen lädt, nimmt Hal Faber einen Schluck Duff und lacht sich einen. "I never reveal my sauces". Ha!

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.


*** "I never reveal my sauces", sagt Julian Assange in den Simpsons auf die Frage von Marge nach dem Barbecue-Rezept. Hahaha, darauf ein Duff-Bier, gebraut von der Eschweger Klosterbrauerei nach bekanntem Rezept. Es ist etwas still geworden um das Meisterhirn von Wikileaks, sieht man davon ab, dass die Organisation in dieser Woche heftig gegen eine UNESCO-Konferenz gestänkert hat, zu der sie angeblich nicht eingeladen war – die Organisatoren dementierten das energisch. Wenn die Signale nicht täuschen, steht die Auslieferung Assanges nach Schweden bevor, weil die Alternative hieße, das gesamte, nach September 2001 hastig zusammengezimmerte Konstrukt des europäischen Haftbefehls zu zertrümmern. Nun ist Schweden nicht Dänemark, in dessen Gefängnissen Assange wahre Horrorszenarien erwartete. Wichtiger als die schwedische Untersuchungshaft ist die Frage, wie der Stand des Whistleblowing ist, wo die Lecks klaffen und Informationen strömen. Denn so zweifelhaft Assanges Theorie von der konspirativen Herrschaft der Wissenden über die Unwissenden ist, so gibt es keinen Zweifel daran, dass unterdrückte Informationen öffentlich gemacht werden müssen. Diese Woche hat zeigt, dass die Sauce ausläuft und es nicht mehr einfach ist, eine Sperre einzurichten. Vom Bericht des Bundesdatenschützers zum Staatstrojaner über die ACTA-Mauscheleien bei der europäischen Kommission bis hin zum Verscherbeln von Patientendaten kommt ans Tageslicht, was ans Tageslicht gehört. Erwischen dürfte es auch die ach so geheimen Mautverträge, nachdem die Regierung überlegt, sich von den teuren Geldsammlern von Toll Collect zu trennen.

*** Die Flagge ist am Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung angelangt. Sunt lacrimae rerum et mentem mortalia tangunt, würde der Lateiner in uns sagen. Die Würde des Amtes steht in Berlin herum, Horst II gibt den Aushilfs-Hausmeister im blauweißen Kittel und das Bobbycar ist zurück in Großburgwedel. Nach dem Rücktritt von Christan Wulff mit seiner gierigen Ehrensolderklärung das überflüssige Amt des Bundespräsidenten abzuschaffen, darauf kommt keiner, weil es parteitaktisch immer noch von Nutzen ist. Diesmal zur Vorbereitung der großen Koalition. Eigentlich hat Wulff mit seiner modernen Patchworkfamilie und seiner signalsendenden First Lady gut ins Gepränge gepasst, doch ist er mit seinen Gefälligkeiten ein Opfer der zunehmenden sozialen Spaltung geworden. Wie viele von uns hat er es schlicht versäumt, vorab die Allgemeinen Nutzungsbedingungen für Bundespräsidenten zu lesen.

*** Christian Wulff wird einen Ehrensold bekommen und muss nicht in eine dieser entwürdigenden Ü50-Maßnahmen, die seine Altersgruppe erfährt, komplett mit SAP-Schulung. Vielleicht fährt er mit bester Unterstützung in das schöne Hannover, dass sich gerade für die CeBIT fesch macht. Während die Direktwahl des Bundespräsidenten im Bürgerdialog abgeschlagen ist, wird geschachert. Die liebe Netzgemeinde schluckt, wenn die Rede auf Zensursula kommt oder auf den Gaukler, der Occupy für albern hält und das Internet für überflüssig. Aber das ist und bleibt chancenlos wie SCO gegen IBM, obwohl auch das großes Kabarett.

*** Inmitten all der Donnerhallen und Treueschwüre stand die Wacht am Rhein, ungebrochen und strahlender denn je. Die 100 Webseiten, auf denen das Wohl und Wehe der Bundesrepublik sich gründet, sie standen fest im DDoS-Wogenprall: Lieb Vaterland, magst ruhig sein. Ein Signal sollte der Besuch von Innenminister Friedrich beim BSI sein, wo ein rund um die Uhr besetztes Lagezentrum das Wissen aus 80 Quellen saugt und ständig die "Top 100 Websites" ansurft, die Deutschland ausmachen. Die wichtigsten Adressen sind nicht das Bundespräsidialamt, Bundestag oder Bundesrat, die Ministerien oder die Kanzlerin. An erster Stelle stehen nach BSI-Angaben die drei IT-Dienstleistungszentren des Bundes und zwar das Zentrum für Informationsverarbeitung und Informationstechnik, die Bundesanstalt für IT-Dienstleistungen und die Bundesstelle für Informationstechnik.

*** Mit im Boot im Rhein bei Bonn entsteht mit leichter Verzögerung die Stiftung Datenschutz, die nach Ansicht der Industrie ein schlankes und rankes Gremium werden soll, vielleicht mit einem Geschäftsführer und einer Schreibkraft und einem ordentlich fetten Beirat, der reihum in feschen Hotels tagen kann. Sylt is calling. Das Ganze komplettiert in der Zusammenarbeit mit den deutschen TÜVs, die ohnehin alles zertifizieren, was nicht bei Drei auf den Bäumen ist. Auch das nerdliche Datenschutzzentrum kritisierte die Pläne, jedoch vor dem Hintergrund, dass die eigenen Compliance-Fachleute zum Zuge kommen. Am Ende entsteht eine echter deutscher Kompromiss und alle reden von einer Winwin-Situation. Winwin, Winwin, helau.

Was wird.

Tata, tata, tata. Auch wenn die deutschen Narren ihre Karren über das Wochenende eilends umwulffen müssen, muss gefeiert werden, da versteht das närrische Deutschland keinen Spaß mehr. Macht das Internet drei Tage dicht? Von wegen. Vielleicht erinnert sich jemand daran, dass allzu freizügige Faschingsbilder im Bundesinnenministerium der Anstoß für den Ideenwettbewerb Vergessen im Internet waren, der mangels Interesse der Generation Facebook wieder und wieder verlängert werden musste. Alte Kamellen? Aber nicht doch. Man lese nur die Warnung aus den USA, wo Jeffrey Rosen aus dem Recht auf Vergessen gleich das Ende des gesamten Internet ableitet.

Ehe der Untergang kommt, soll nach dem Willen der Verwertungsrechteindustrie ACTA schnellstens in trockenen Tüchern sein. Entsprechend quengelig sind die Reaktionen derer, die offene Diskussionen für einen Beweis fehlender Public Relations halten. So langsam dämmert es auch weniger netzaffinen Menschen, dass mit ACTA etwas mehr gemeint ist als ein Anti-Piraterie-Abkommen. Wenn selbst die Verbraucherschutzministerin die Floskel von den Sorgen und Ängsten der Menschen da draußen im Lande hervorkramt, wird klar, dass "Kommunikationsbedarf" besteht. Zudem haben die Hochtöner der Deutschen Content Allianz in ihre Hörner geblasen und eine Pressemeldung zu ACTA abgesetzt und dramatischen Unsinn zur Freiheit des Internet getrötet und zur Rechtslosigkeit der Verwerter, der an das Gerede vom rechtsfreien Raum erinnert. Wäre es denn so, gäbe es kein Verfahren gegen Megaupload und jeder Berichterstattung hätte zu schweigen.

Doch es sieht anders aus. Der ach so rechtlose Raum ist ziemlich gut geregelt, die Rechtsprechungs entwickelt sich, mit einigen Aussetzern weiter. Der Fall Megaupload wird vor Gericht verhandelt, Abofallenbetrüger erhalten ihre Strafe und allzu weitreichende Ansprüche der Verwerter werden vom europäischen Gerichtshof gebremst. Viel spricht dafür, dass hier auch die Rechtmäßigkeit von ACTA beurteilt werden kann ohne die Drückertruppe der Content Allianz, die zur Unterzeichnung drängelt. Die maßlosen Angriffe gegen das demokatische Prozedere provozieren natürlich. Sie rufen die anonymen Lulzler auf den Plan, die mit einem mega-über-awesome war drohen "that rain torrential hellfire down on all enemies of free speech, privacy and internet freedom. We will systematically knock all evil corporations and governments off of our internet." Unser Internet? Und was ist mit diesen Untergrund-Netzen, die andere bauen? (vbr)