Juristische Auseinandersetzungen belasten Microsofts Bilanz

Beim Gewinn verfehlte der Softwarekonzern die eigenen Prognosen, während der Umsatz erneut auf Rekordniveau kletterte - angetrieben vor allem von der Server- und der Entertainment-Sparte.

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Von
  • Jürgen Kuri

Im Vorfeld der Bilanzvorlage sackte der Kurs der Microsoft-Aktie schon einmal kräftig ab, da die Analysten keine Steigerung beim Gewinn erwarteten. Nun legte Microsoft zum letzten Mal seine Bilanzen nach der alten Unternehmensstruktur vor: Der Gewinn brach ein, während der Umsatz erneut Rekordniveau erreichte. Das Geschäftsjahr 2006 geht mit dem abgelaufenen vierten Quartal zu Ende, ab dem Geschäftsjahr 2007 berichtet Microsoft seine Geschäftszahlen auf Basis der im vergangenen Herbst begonnenen Zusammenfassung seiner bisher sieben Geschäftsbereiche in drei. Anders als diese Bilanzänderung hält sich, was die Microsoft-Manager bedauern dürften, der Fortschritt bei der Entwicklung von Windows Vista und Office 2007 nicht an das Geschäftsjahr von Microsoft: Sowohl Office 2007 als auch der Windows-XP-Nachfolger Vista sollen zum Ende des Kalenderjahres 2006 für Geschäftskunden verfügbar sein und Anfang 2007 dann auch für Privatanwender herauskommen.

Schon seit einiger Zeit aber erhofft sich die Börse neue Impulse für Microsoft und damit auch für die Microsoft-Aktie von den wichtigen neuen Software-Releases – um Quartal für Quartal vertröstet zu werden. Und auch die Querelen mit der EU-Kommission wollen kein Ende nehmen – der US-Softwarekonzern handelte sich gerade erst eine Geldstrafe wegen Nicht-Einhaltung der Auflagen aus dem EU-Wettbewerbsverfahren ein. Da verwundert es nicht, dass Microsoft schon einmal prophylaktisch gewisse Zusagen zur Öffnung von Windows Vista für Konkurrenzprodukte macht, könnte die EU-Kommuission doch sonst das Geschäft verhageln. Und auf das warten, neben den Hoffnungen auf die von Bill Gates eingeläuteten Ära der Live-Software, der Konzern und seine Aktionäre jetzt schon ein ganzes Weilchen vergeblich.

Aber nicht überall werden die Ziele so weit verfehlt, wie es bei der deutschen Dependance angeblich passiert. Für das vierte Quartal hatte Microsoft einen Umsatz von 11,5 bis 11,7 Milliarden US-Dollar und einen Gewinn pro Aktie von 30 Cents prognostiziert. Nun belasteten zwar vor allem hohe Ausgaben für juristische Auseinandersetzungen, unter anderem das Wettbewerbsverfahren mit der EU-Kommission, und die bereits angekündigten Investitionen in die Live-Strategie und die Entertainment-Sparte den Gewinn. Der Nettogewinn lag aber immer noch bei 2,85 Milliarden US-Dollar ( 28 Cents pro Aktie) nach einem Gewinn von 3,7 Milliarden US-Dollar (34 Cents pro Aktie) im gleichen Quartal des Vorjahrs. Belastet wurde der Nettogewinn unter anderem durch Ausgaben für juristische Auseinandersetzungen mit 3 Cents pro Aktie – berücksichtig man dies, lag Microsoft über der eigenen Prognose. Diese allerdings hatte bereits Erklärungsbedarf ausgelöst, da die Analysten mehr erwartet hatten und dem angekündigten Investitionsprogramm erst einmal skeptisch gegenüberstanden. Beim Umsatz erreichte der Konzern eine Steigerung von 16 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal auf 11,8 Milliarden US-Dollar. Der operative Gewinn stieg auf 3,88 Milliarden US-Dollar, ein Plus von 30 Prozent.

Für das gesamte Geschäftsjahr 2006 verzeichnete Microsoft einen Umsatz von 44,28 Milliarden US-Dollar, eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr um 11 Prozent. Der Nettogewinn lag bei 12,6 Milliarden US-Dollar oder 1,20 US-Dollar pro Aktie – wobei der Gewinn mit 8 Cents pro Aktie durch Ausgaben für juristische Streitigkeiten belastet wurde.

Besonders erfreut zeigte sich das Microsoft-Management nicht nur über Steigerungen bei der Server-Software, sondern auch darüber, dass die Investitionen in die Entertainment-Sparte bereits Erfolge zu zeitigen scheinen: Der Umsatz im Bereich Home Entertainment legte von 587 Millionen auf 1,138 Milliarden US-Dollar zu. Die Kosten für diesen Zuwachs sind aber ebenfalls enorm: Die operativen Verluste der Sparte stiegen von 201 auf 414 Millionen US-Dollar. Zurückzuführen sind die Umsatzsteigerungen bei gleichzeitig höheren Verlusten vor allem auf gestiegenen Absatz bei der Xbox 360, die für Microsoft immer noch ein Zuschussgeschäft mit der Hoffnung auf spätere Gewinne ist. Im vierten Quartal allein habe man 1,8 Millionen Xbox 360 ausgeliefert, weit mehr als von der ersten Generation der Spielkonsole im Vorjahresquartal, betont Microsoft. Mit dem Online-Dienst MSN, einer der wichtigen Bestandteile der Live-Strategie, musste Microsoft einen leichten Umsatzrückgang von 598 auf 580 Millionen US-Dollar hinnehmen – zudem scheint die Sparte ebenfalls immer noch eine Wette auf die Zukunft zu sein: Statt eines Gewinns von 101 Millionen US-Dollar wie im Vorjahr kam ein Verlust von 190 Millionen US-Dollar zustande. Die Verluste führt Microsoft direkt auf die verstärkten Investitionen in Forschung und Entwicklung, in Marketing und in den Aufbau des MSN adCenter sowie der Live-Services.

Die Sparte Server and Tools (dazu gehören beispielsweise Windows Server 2003, Exchange und Entwicklungswerkzeuge) konnte beim Quartalsumsatz im Jahresvergleich um 18 Prozent von 2,696 auf 3,184 Milliarden US-Dollar zulegen – laut Finanzchef Chris Liddell ist dies besonders auf Umsatzsteigerungen mit dem SQL-Server von 35 Prozent zurückzuführen. Der operative Gewinn des Bereichs kletterte von 814 Millionen auf 1,249 Milliarden US-Dollar. Mit dem Bereich Client (alle Windows-Betriebssysteme für Desktop-Rechner) schaffte Microsoft eine Umsatzsteigerung von 3,014 auf 3,376 Milliarden US-Dollar, während der Gewinn von 2,183 auf 2,504 Milliarden US-Dollar stieg. Und die Abteilung Information Worker, vor allem für das Office-Pakte verantwortlich, legte beim Umsatz von 2,944 auf 3,133 Milliarden US-Dollar und beim operativen Gewinn von 2,011 auf 2,150 US-Dollar zu.

Bei Business Solutions, aus Navision und Great Plains gebildeter Bereich für Unternehmenssoftware, gab es beim Umsatz eine geringfügige Verbesserung von 242 auf 280 Millionen US-Dollar; dafür konnte die Sparte ihre Verluste ausräumen und statt einem Minus von 84 Millionen US-Dollar einen Gewinn von 38 Millionen US-Dollar einfahren. Und der Bereich Mobile and Embedded Devices steigerte den Umsatz von 80 auf 113 Millionen US-Dollar, den Verlust konnte die Sparte von 15 auf 2 Millionen US-Dollar eingrenzen.

Parallel zur Vorlage der Bilanz kündigte Microsoft ein umfangreiches Aktienrückkaufprogramm an. Die Ausschreibung, die bis zum 17. August dieses Jahres abgeschlossen sein soll, umfasst einen Aktienrückkauf für 20 Milliarden US-Dollar (Microsoft weist zum Ende des Geschäftsjahrs liquide Mittel von 34,161 Milliarden US-Dollar aus). Der Preis für den Rückkauf legte Microsoft mit maximal 24,75 und minimal 22,50 US-Dollar pro Aktie fest. Zusätzlich genehmigte der Vorstand ein Aktienrückkaufprogramm über weitere 20 Millionen US-Dollar, das bis zum 30. Juni 2011 laufen soll. Finanzchef Liddell, der auch den erfolgreichen Abschluss des vor zwei Jahren angekündigten Aktienrückkaufprogramms in Höhe von 30 Milliarden US-Dollar annoncierte, betonte, damit zeige Microsoft seine Zuversicht in die Zukunft der Firma. Auch werde man im Geschäftsjahr 2007 durch die Auslieferung von Windows Vista, Office 2007, Exchange Server 2007 und anderer wichtiger Produkte ein starkes Wachstum erleben.

Das scheint auch die Investoren beeindruckt zu haben: Der Schock über die Gewinnreduzierung durch neue Investitionsprogramme scheint überwunden, die Belastungen unter anderem durch die Wettbewerbsverfahren mit der EU-Kommission waren erwartet worden, da kann man sich nun doch auf der Basis solider Bilanzen Hoffnungen auf das neue Geschäftsjahr machen. Und die Aktienrückkaufprogramme dürften diesen Optimismus tatsächlich befördert haben. Zu Beginn des nachbörslichen Handels in den USA kletterte der Kurs der Microsoft-Aktie jedenfalls um über 6 Prozent.

Umsatz- und Gewinnentwicklung bei Microsoft in US-Dollar
(Das Geschäftsjahr beginnt jeweils im Juli)

Quartal Umsatz Nettogewinn
3/00 5.660 Mio. 2.390 Mio.
4/00 5.800 Mio. 2.410 Mio.
1/01 5.800 Mio. 2.200 Mio.
2/01 6.590 Mio. 2.620 Mio.
3/01 6.460 Mio. 2.450 Mio.
4/01 6.580 Mio. 66 Mio.
1/02 6.130 Mio. 1.280 Mio.
2/02 7.740 Mio. 2.280 Mio.
3/02 7.250 Mio. 2.740 Mio.
4/02 7.250 Mio. 1.530 Mio.
1/03 7.750 Mio. 2.730 Mio.
2/03 8.540 Mio. 2.550 Mio.
3/03 7.840 Mio. 2.790 Mio.
4/03 8.070 Mio. 1.920 Mio.*
1/04 8.220 Mio. 2.610 Mio.*
2/04 10.150 Mio. 1.550 Mio.*
3/04 9.180 Mio. 1.320 Mio.*
4/04 9.290 Mio. 2.690 Mio.
1/05 9.189 Mio. (2.901 Mio.)
2.530 Mio **
2/05 10.818 Mio. 3.463 Mio.
3/05 9.620 Mio. 2.563 Mio.
4/05 10.161 Mio. 3.700 Mio.
1/06 9.741 Mio. 3.141 Mio.
2/06 11.837 Mio. 3.653 Mio.
3/06 10.900 Mio. 2.977 Mio.
4/06 11.804 Mio. 2.828 Mio.
* Gewinne unter Bilanzierung der Umstellung auf das neue Aktienprogramm für Microsoft-Mitarbeiter
** nach nachträglichem Abzug der Sonderkosten durch die Einigung mit Novell