Die Woche: Streit um den guten Namen

Open-Source-Projekte müssen nicht hilflos zusehen, wenn sich Firmen den Projektnamen unabgesprochen als Marke schützen lassen. Doch der Widerspruch bedeutet Ärger, Aufwand und Kosten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 13 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Wenn Open-Source-Projekte ihren Kinderschuhen entwachsen und für eine große Zahl Anwender interessant werden, beginnt oft die Suche nach einem gut klingenden Namen, der sich bei den Anwendern einprägt – vor allem dann, wenn man eine kryptische Bezeichnung wie Nginx oder Xrandr verwendet oder der Name ein kaum aussprechbares Akronym wie Hpijs oder cnijfilter ist.

Ein Beispiel dafür eine gelungene Umbenennung ist das Apache-Projekt, das als Patch-Set für den HTTP-Server der NCSA begann. Als die Patches immer umfangreicher wurden, gründete man ein eigenes Projekt, suchte dafür einen klangvollen Namen und entschied sich für "Apache" in Anlehnung an den legendären Indianerstamm.

Mit dem Erfolg und der Verbreitung eines Projekts steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass es Firmen entdecken und sich an der Entwicklung beteiligen. Dabei darf man nicht vergessen, dass Firmen schon laut Gesetz eine Gewinnerzielungsabsicht haben müssen – ihr Engagement bei einem Open-Source-Projekt muss sich also letztlich lohnen.

Manche Firmen entwickeln aus dem Projekt ein Consumer-Produkt und bringen es auf den Markt: So hat zum Beispiel die Firma Axxaro digitale Receiver auf der Basis von Linux und dem Open-Source-Frontend Neutrino entwickelt, die sie unter dem Markennamen Coolstream verkauft. Neutrino ist vielen Sat-Enthusiasten noch aus Zeiten der Dbox2 bekannt, der Name steht für durchdachte Benutzerführung und flotte Bedienung. Also nahm Axxaro den Projektnamen in die Produktbezeichnung auf – und beantragte dafür, offenbar ohne Rücksprache mit der Entwicklergemeinde, auch eine Markeneintragung beim DPMA.

Dieses Vorgehen verunsicherte die Entwicklergemeinde, vor allem, als Händler abgemahnt wurden, weil sie "Neutrino" im Zusammenhang mit anderen Digitalreceivern als den Coolstream-Geräten nannten. Die Rechtsanwaltskosten hatten wie üblich die Abgemahnten zu tragen. Wer denkt, für reine Anwender wäre das Markenrecht generell nicht relevant, irrt: So könnte schon der Verkauf eines gebrauchten Geräts bei eBay Grund genug für eine Abmahnung sein. Die Sorgen der Neutrino-Community sind also nicht ganz unbegründet.

Dabei ist ein Projekt keineswegs hilflos, wenn sich eine Firma den Namen durch eine Markeneintragung unter den Nagel zu reißen versucht. Wurde zum Beispiel zuvor ein Programm unter dem Projektnamen veröffentlicht, könnte dieser bereits als Werktitel im Sinne des Markenrechts (§5 Abs. 3 MarkenG) gelten – womit der Projektgründer ältere Rechte beanspruchen und möglicherweise eine Löschung der eingetragenen Marke durchsetzen könnte.

Wie immer bei Rechtsfragen kommt es jedoch auf die Details an, ob reale Chancen bestehen, eine eingetragene Marke zu löschen – sodass der Weg im Zweifel immer zu einem Rechtsanwalt führen sollte. Als Anlaufstelle empfiehlt sich in Deutschland zum Beispiel das Ifross, dort vermittelt man Entwicklern den Kontakt zu entsprechend spezialisierten Rechtsanwälten. Um böse Überraschungen zu vermeiden, sollte man jedoch gleich zu Anfang nach den Beratungskosten fragen.

Auch wenn man sich als Projekt gegen solche Markeneintragungen wehren kann, sie bedeuten immer Ärger, Kosten und zusätzlichen Aufwand – der das Projekt an sich nicht weiter bringt, weswegen viele Entwickler lieber einfach den Namen wechseln als ihr Recht einzufordern.

Große Projekte hingegen wie Apache gehen in die Offensive und lassen den Projektnamen selbst als Marke eintragen. Doch das kostet ebenfalls Geld und kann trotzdem rechtlichen Ärger nach sich ziehen, etwa wenn es bereits einen ähnlich klingenden Markennamen im gleichen Segment gibt. Dann droht dem Projekt selbst eine Löschungsklage.

Insofern sind Projektnamen wie Nginx, Xrandr oder cnijfilter vielleicht doch gar nicht so schlecht gewählt: Hier kommt so schnell niemand auf die Idee, sie als Produktnamen markenrechtlich schützen zu lassen. (mid) (mid)