US-Justiz: Passwörter müssen nicht zwingend offengelegt werden

Die Herausgabe von Passwörtern kann in den USA unter Umständen als Zeugenaussage gegen sich selbst gewertet und als solche dann nicht erzwungen werden. Das wurde jetzt einem Angeklagten vom zuständigen Berufungsgericht bestätigt.

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Die Entschlüsselung von Daten kann nach US-Recht unter Umständen eine Zeugenaussage darstellen. Dies hat das Berufungsgericht des 11. Bundesbezirks am Donnerstag entschieden (US vs. John Doe als PDF-Datei). Nach dem 5. Zusatzartikel der US-Verfassung können US-Bürger nicht zur Zeugenaussage gegen sich selbst verpflichtet werden. Im Ergebnis ist eine Person freigekommen, die vom Staatsanwalt des Besitzes von Kinderpornografie verdächtigt wird.

Die nur als John Doe bekannte Person wurde nie angeklagt. Sie war aber acht Monate in Beugehaft, weil sie sich geweigert hatte, sieben Datenträger zu entschlüsseln. Die Anklage vermutet darauf Dateien mit Kinderpornografie. Doe beharrte auf dem in der Verfassung verankerten Recht, nicht gegen sich selbst aussagen zu müssen und erhielt nun Recht.

Allerdings kann Doe trotzdem gezwungen werden, die Festplatten offenzulegen – vorausgesetzt, die Anklage kann darlegen, dass Doe dazu überhaupt in der Lage ist. Das zuständige Gericht müsste dem Verdächtigen aber Immunität hinsichtlich der Nutzung der Dateien und der daraus abgeleiteten Informationen zusichern.

Staatsanwalt und Erstgericht hatten Doe aber nur zugesichert, für den Akt der Entschlüsselung und Herausgabe nicht angeklagt zu werden. Gegebenenfalls vorhandene Daten wollten die Ermittler dann sehr wohl gegen Doe einsetzen. Dem Berufungsgericht reichte diese minimale Immunität aber nicht. Es lehnte den Versuch ab, für die Aussage selbst Immunität zu gewähren, die daraus gewonnenen Informationen aber wie "Manna vom Himmel" zu behandeln.

Ein entscheidendes Element der Entscheidung war, dass die Strafverfolger keine Kenntnis davon haben, ob und welche Dateien auf den Datenträgern gespeichert sind. Daher hätte Doe etwas "aus dem eigenen Gehirn" angeben müssen, und das sei eine Zeugenaussage. Anders läge der Fall, wenn die Ermittler bereits wüssten, welche Dateien (auch ohne Angabe des konkreten Dateinamens) wo gespeichert sind, dass der Betroffene die Dateien besitzt und dass diese Dateien authentisch sind. In so einem Fall, so die Richter, entspräche die Herausgabe eines Passworts der Herausgabe eines Safe-Schlüssels. Das ist nach der Rechtsprechung des US Supreme Court keine Zeugenaussage und fällt daher nicht unter den Schutz vor Zeugnis gegen sich selbst.

Dafür werden auch Beispiele angeführt: Im Fall In re Boucher hatte der später Verurteilte einem Grenzbeamten einschlägige Videos gezeigt, die Dateien aber später nicht entschlüsseln wollen. Im noch laufenden Fall Fricosu vs. US hat die des Betrugs verdächtigte Ramona Fricosu in einem abgehörten Telefonat angegeben, belastende Dokumente auf ihrem Laptop gespeichert zu haben. Das Berufungsgericht des zehnten Bezirks lehnte es ab, den erstgerichtlichen Befehl zur Preisgabe der Daten zu überprüfen. Sollte Fricosu verurteilt werden, kann sie aber versuchen, die Verwendung ihrer Daten als Beweismittel (erneut) zu bekämpfen.

Entscheidungen der Bundesberufungsgerichte sind für die ihnen untergeordneten Gerichte bindend, nicht aber für Richter anderer Gerichtsbezirke. (mho)