Wikileaks veröffentlicht Stratfor-Mails

Wikileaks hat damit begonnen, E-Mails des privaten Sicherheitsberaters Stratfor zu veröffentlichen. Die Nachrichten sollen unter anderem zeigen, wie die US-Regierung und Stratfor gegen die Plattform und Julian Assange vorgegangen seien.

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Um 1 Uhr in der Nacht zum Montag hat Wikileaks mit der Veröffentlichung von Millionen von E-Mails der texanischen "Sicherheitsfirma" Stratfor begonnen. Die "Global Intelligence Files" sollen das Sittenbild eines privaten Geheimdienstes zeichnen. Die Website stratfor.com ist unter dem Ansturm interessierter User zusammengebrochen.

Die zeitweise offenbar vom Ansturm überforderte Seite von Stratfor

(Bild: Screenshot)

Über 5 Millionen E-Mails aus dem Zeitraum von Juli 2004 bis Dezember 2011 wurden bei einem erfolgreichen Hack erbeutet. Mehr als 4000 davon behandeln Wikileaks selbst oder dessen Sprecher Julian Assange. Seit Wochen haben mehr als zwei Dutzend Medienorganisationen aus aller Welt und Aktivisten im Geheimen über den Daten gebrütet. Nach und nach sollen daraus gewonnene Informationen veröffentlicht werden. Die erste Tranche der veröffentlichten Nachrichten umfasst rund 170 E-Mails samt angehängter Dateien.

Stratfor bezeichnet sich selbst als "unabhängig, nicht ideologisch", arbeitet aber eng mit US-amerikanischen und israelischen Diensten zusammen. Stratfor bildet auch US-Militärs und -Spione fort. Laut Wikileaks stammt sogar der 3-Jahres-Plan der US Marines von dem Unternehmen.

Der Wikileaks vorliegende Datenberg soll Informationen über Attacken der US-Regierung auf Julian Assange und Wikileaks sowie Stratfors eigene Versuche, Wikileaks zu untergraben, bergen. Die Firma unterhalte ein weltweites Netz an Informanten, darunter Regierungsmitarbeiter, Botschaftsangehörige und Journalisten, schreibt Wikileaks. Die Zuträger würden über schweizerische Bankkonten und anonyme, im Voraus bezahlte Kreditkarten entlohnt. Aber auch Sex und "psychologische" Maßnahmen seien Mittel zur Kontrolle von Informanten. Dutzende Medienorganisationen und Journalisten seien mit geheimen Vereinbarungen korrumpiert worden, schreibt Wikileaks.

Gemeinsam mit dem damaligen Goldman Sachs Manager Shea Morenz soll Stratfor-Chef George Friedman 2009 die Idee eines auf Insider-Handel spezialisierten Investment Funds kreiert haben. Das StratCap genannte Unternehmen solle nach außen hin eigenständig auftreten und dieses Jahr den Betrieb aufnehmen. Ziel sei, auf den von Stratfor gewonnenen Informationen aufbauend mit "geopolitischen Instrumenten" zu handeln. Damit sind vor allem Regierungsanleihen und Währungen gemeint. Weitere Investment Portfolios dienten der Verschleierung.

Startseite von Rusrep einem russischen Partner von Wikileaks

(Bild: Screenshot)

Zu Stratfors Kunden gehören aber nicht nur Regierungsorganisationen und Rüstungsfirmen, sondern beispielsweise auch Dow Chemical. Der Chemiekonzern ist Eigentümer von Union Carbide; 1984 ereignete sich in dessen Fabrik im indischen Bhopal ein schrecklicher Gas-Unfall. Tausende Menschen starben, über eine halbe Million wurden verletzt. Die Umweltschädigung und Vergiftung der Menschen in der Region hält bis heute an, namhafte Entschädigungen wurden nicht geleistet. Dow Chemical hat Union Carbide erst nach 1984 übernommen und argumentiert daher, für die Schäden nicht verantwortlich zu sein.

Für Dow Chemical hat Stratfor Aktivisten überwacht und analysiert, die sich für eine Entschädigung der Opfer einsetzen. Darunter auch die Yes Men. Besondere Angst herrscht offenbar vor Systemkritik, vor einer Ausweitung der Bewegung auf "das größere Ganze". Coca Cola wiederum soll die Tierrechtsorganisation PETA ausspioniert haben.

Zu Jahresbeginn waren unter dem "Anonymous"-Label bereits Stratfors Kundendaten sowie Informationen über 860.000 auf der Stratfor-Website registrierte Accounts verbreitet worden. (mho)