Absprachen über Vorratsdatenspeicherung lösen Empörung aus

Die Vereinbarungen zwischen Bundesministern und der Telekom über mögliche Speicherfristen von Telekommunikationsverkehrsdaten stoßen bei Datenschützern, Parlamentariern und den Telekom-Konkurrenten auf Kritik.

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Die Vereinbarungen zwischen Bundesministern und der Deutschen Telekom über bis zu zwölfmonatige Speicherfristen von Telekommunikationsverkehrsdaten stoßen bei Datenschützern, Parlamentariern und im Rest der Branche auf teils heftige Kritik. "Es kann nicht sein, dass wir zig Millionen Deutsche ein Jahr unter einen Generalverdacht stellen und unbescholtene Bürger wie Kriminelle behandeln", empört sich der rheinland-pfälzische Justizminister Herbert Mertin. "Die geplante Ausweitung der Überwachungsverpflichtungen stellen für die Wirtschaft untragbare Mehrbelastungen dar", sagt Jan Mönikes, Geschäftsführer der Initiative Europäischer Netzbetreiber. Mit großen TK-Firmen wie der British Telecom, Colt oder Versatel sei nicht gesprochen worden. Mönikes warnt: "Angesichts des Jobgipfels der Bundesregierung mit der Opposition am Donnerstag ist das ein absolut falsches Signal."

Bundesjustizminister Brigitte Zypries, ihr Kollege aus dem Bundesinnenministerium, Otto Schily, sowie Vertreter von Sicherheitsbehörden hatten im vergangenen Monat das heftig umstrittene Thema der Vorratsdatenspeicherung mit dem Altmonopolisten besprochen. Hintergrund sind die aktuellen Gesetzgebungspläne auf EU-Ebene. Dabei geht es um die Verpflichtung von Telcos und Providern, sämtlicher Verbindungs- und Standortdaten, die bei der Abwicklung aller Internet- und Telefon-Dienste anfallen, über bis zu drei Jahre hinweg vorzuhalten für Zwecke der Strafverfolgung. Momentan erarbeitet die EU-Kommission einen neuen Vorschlag, in dem sie dem Brüsseler Flurfunk zufolge Speicherfristen von einem Jahr vorsieht. Die Anforderungen der deutschen Strafverfolgungsbehörden gehen nicht so weit.

Laut einem Ergebnispapier der Hinterzimmergespräche mit der Telekom, das heise online vorliegt, drängen die Ermittler und Geheimdienste auf eine Speicherdauer von 180 Tagen für IP-Adressen und Login-Daten, die Verbindungsdaten bei einem Festnetzgespräch sowie im Mobilfunkbereich überdies die Standortkennung sowie "gegebenenfalls Kartennummer (IMSI) oder Kennung der Endeinrichtung (IMEI)". Die Telekom soll sich bereit erklärt haben, die entsprechenden persönlichen Daten für diese Zeitlänge zu archivieren. Momentan speichert sie der Konzern 90 Tage. Entgegen der Vorgaben der Sicherheitsbehörden liebäugeln Schily und Zypries mit der einjährigen Lagerhaltung.

Der Innenminister hatte am gestrigen Sonntag am Rande der CeBIT erklärt, die Ermittler müssten "alle Möglichkeiten nutzen, um an die Planung von Verbrechen mit terroristischen Aktionen heranzukommen. Die Verhandlungen mit der Wirtschaft seien aber "noch nicht am Ende". Laut Branchenverbänden haben sie jedoch noch gar nicht wirklich begonnen. "Wir sind überrascht, dass die Linie der Bundesregierung anscheinend schon steht", erklärte Hannah Seiffert, Justiziarin beim Verband der deutschen Internetwirtschaft eco. Auch für den Bitkom, der kürzlich vor den hohen Kosten und den datenschutzrechtlichen Folgen der Vorratsdatenspeicherung gewarnt hatte, bleiben die auf EU-Ebene diskutierten Pläne "in dieser allumfassenden Form völlig inakzeptabel". Im Dialog mit der Politik würden momentan die gegenseitigen Argumente ausgetauscht, erläutert der Bitkom-TK-Experte Volker Kitz. "Geheimverhandlungen" gebe es aber nicht.

Die Weichen scheinen trotzdem bereits weitgehend gestellt zu sein. Der nordrhein-westfälische Innenminister Fritz Behrens (SPD) begrüßte zumindest bereits die Pläne zur längeren Datenspeicherung, die seiner Ansicht nach keinen tieferen Eingriff in die Grundrechte darstellen. "Herrn Schily geht es um einen weiteren Schritt zum totalen Überwachungsstaat", hält der FDP-Politiker Mertin dagegen. Deutschland werde zum "unrühmlichen Vorreiter" auf dem Weg in die Big-Brother-Gesellschaft. Einer effektiven Kriminalitätsbekämpfung diene das Vorhaben aber nicht, da die Behörden nur irgendwann im Datenmüll ersticken würden. Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar lehnt eine "flächendeckende Vorratsspeicherung von Verkehrsdaten" weiterhin entschieden ab und empfiehlt der Politik, endlich über Alternativen wie eine fallabhängige "Quick Freeze"-Speicherung nachzudenken.

Die Woge der Empörung schwappt besonders hoch, weil sich im Bundestag noch Mitte Februar alle Fraktionen erneut entschieden gegen die Einführung einer Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen haben. Die FDP-Innenpolitikerin Gisela Piltz wirft den Bundesministern daher "Verrat an den Interessen" des Parlaments vor. Die im Raum stehende einjährige Speicherung würde vor allen Dingen die Bürger über die erhöhten Kosten der Telefongesellschaften treffen. Der innenpolitische Sprecher der Liberalen im EU-Parlament, Alexander Alvaro, kritisiert zudem, "dass dieser Plan einer totalen Überwachung aus juristischer, technischer und ökonomischer Sicht auf absolut wackeligen Beinen steht". Auch der TK-Verband der Telekom-Wettbewerber, der VATM, fordert die Bundesregierung auf, beim Bundestagsbeschluss zu bleiben. Es wäre den Bürgern und Unternehmen nicht zu vermitteln, wenn über die EU eine gegenteilige Regelung eingeführt würde. (Stefan Krempl) / (pmz)