Ausprobiert: iOS-Bildschirm auf dem Mac spiegeln

Das Mac-Programm Reflection gaukelt iPhone und iPad vor, ein Apple TV zu sein und erlaubt erstmals die Anzeige von deren Bildschirminhalt ohne Jailbreak. So werden etwa Präsentationen oder Video-Tutorials möglich.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Thomas Kaltschmidt

Airplay in Kombination mit Apple TV macht Schluss mit dem üblichen Kabelsalat und Konfigurationsproblemen: Das Apple-Protokoll erlaubt es, Musik und Video von iOS-Geräten draht- und weitgehend problemlos auf den heimischen Fernseher zu streamen. Inzwischen ist auch das Spiegeln des gesamten iPhone- oder iPad-Bildschirminhaltes auf einem geeigneten Empfänger möglich. Bislang eignet sich nur das Apple TV dazu. Der Mac darf zwar Musik und Videos via iTunes und AirPlay senden, aber nichts empfangen. Dabei wäre es für Präsentationen oder Screencasts durchaus praktisch, die Anzeige eines iOS-Geräts auf dem Mac zu spiegeln.

Ein kleines Team aus Ohio in den USA will das Manko beheben mit Reflection, einem Mac-Tool für 15 US-Dollar. Die Demoversion beendet eine Sitzung nach 10 Minuten. Von den selben Entwicklern gibt es bereits die Mac-Programme AirParrot, das den Mac-Bildschirm via Apple TV auf den Fernseher zaubert, und AirServer, das gestreamte Medien wie Videos, Diashows und Musik am Mac empfängt und abspielt. Die Amerikaner kennen sich also bereits mit dem Entschlüsseln des Airplay-Protokolls aus, was jeweils Grundlage für die Funktionen ist. Reflection geht noch über AirServer hinaus. Es gaukelt dem iOS-Gerät gewissermaßen vor, ein Apple TV zu sein.

Die passenden Grundeinstellungen in Reflection optimieren die Anzeige für iPhone 4S oder iPad 2.

Auf Senderseite benötigt man mindestens ein iPad 2 oder iPhone 4S. Laut den Entwicklern besitzen nur diese Geräte die erforderliche Leistung. Spezielle Apps unter iOS braucht man dafür nicht: Voraussetzung für Airplay ist lediglich, dass sich Sender und Empfänger im selben Funknetz befinden.

Wir haben die Software etwas genauer unter die Lupe genommen. Nach dem Start signalisiert Reflection möglichen Airplay-Sendern direkt, dass der Mac für den Empfang bereit steht. Um eine Übertragung zu beginnen, klickt der iPhone- oder iPad-Anwender doppelt auf die Home-Taste. Dann scrollt er in der Liste der geöffneten Apps am unteren Rand ganz nach links und berührt dort das Airplay-Symbol. Dieses befindet sich direkt neben der Lautstärkeregelung. In der dann erscheinenden Liste wählt man den Mac aus, auf dem Reflection läuft, aktiviert die Synchronisierung und los geht es.

In der Airplay-Auswahl auf iOS wählt man einfach den gewünschten Mac aus.

Bedienung und Animation der iOS-Oberfläche sowie beliebiger Apps werden live auf dem Mac gespiegelt, inklusive Ton. Praktisch alle Apps, die wir getestet haben, darunter Safari, Keynote, Maps, Kalender, Kontakte, iBooks und einige Spiele, wurden problemlos angezeigt. Lediglich Filme in der Vollbildansicht zeigten kein Bild. In der verkleinerten, eingebetteten Ansicht liefen sie dagegen. Manchmal ruckelte die Übertragung ein wenig oder Komprimierungsartefakte waren sichtbar, das kann aber auch an einem überlasteten WLAN oder dem Mac mini liegen, mit dem wir den Empfang ausprobiert haben.

Mit einem geeigneten Aufnahmewerkzeug lässt sich eine Session mit Reflection als Film speichern und somit erstmal ein Screencast von iOS-Apps komfortabel anfertigen. Bislang musste man dazu iOS-Werkzeuge wie Display Recorder bemühen, die einen Jailbreak voraussetzen – nicht jedermanns Sache. Mit der Funktion "Bildschirmaufnahme" im QuickTime Player ruckelten unsere Aufnahmen jedoch deutlich, besser funktionierte es mit dem auf Bildschirmaufnahmen spezialisierten Werkzeug Screenflow von Telestream.

Auch 3D-Spiele werden problemlos übertragen, je nach Action kommt es aber schon zu Rucklern.

Die Grundeinstellungen in Reflection ermöglichen es, die Anzeigequalität auf die Auflösung von iPhone und iPad abzustimmen, damit keine qualitätsmindernde Skalierung stattfindet. Sobald sich die Bildschirmausrichtung des iOS-Gerätes etwa von der Hoch- in die Querlage ändert, passt Reflection die Ansicht auf dem Mac automatisch an. Die Vollbildansicht setzt allerdings die übertragene Anzeige nur vor einen dunklen Hintergrund, die Größe bleibt gleich. Für Präsentationen wäre es praktischer, wenn auf Wunsch der gesamte Mac-Bildschirm ausgenutzt würde, selbst wenn dies mit einer Hochskalierung verbunden wäre. [Update:] Während auf unserem Mac mini der Vollbildmodus nicht funktionierte, war er auf einem iMac in der Redaktion nutzbar. [/Update]

Den Reflection-Entwicklern gelingt eine Überraschung. Es ist die erste Lösung dieser Art für den Mac, die ohne Jailbreak auf iOS-Seite funktioniert. Um eine simplen Screencast von iOS-Apps anzufertigen, wurden im Internet bislang umständlichste Konfigurationen empfohlen. Was Apple von Reflection hält, ist bislang aber unklar. Potenziell steht die App jedenfalls auf wackeligem Boden: Für die Nutzung von Airplay in Geräten braucht man eigentlich eine Lizenz von Apple. Reflection-Entwickler Sidney Keith äußerte auf Nachfrage von Mac & i die Hoffnung, dass Apple keine Wellen mache, schließlich hätten sich sehr viele Anwender diese Funktion lange gewünscht. Möglicherweise würde das Apple auch erkennen. Hoffentlich hat er recht. (thk)