Akku statt Stromnetz

Ein US-Start-up will mit kostengünstigen Zwischenspeichern Elektrizität dort vorhalten, wo es keine Energienetze gibt.

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Von
  • Kevin Bullis

Ein US-Start-up will mit kostengünstigen Zwischenspeichern Elektrizität dort vorhalten, wo es keine Energienetze gibt.

Aquion Energy, eine Ausgründung der Carnegie Mellon University aus Pittsburgh, will kostengünstige Akkumulatoren zur großangelegten Zwischenspeicherung von Strom einsetzen, um dezentrale Energieinfrastrukturen zu schaffen. In einer ehemaligen Fernseherfabrik des Sony-Konzerns in Pennsylvania sollen die Speicher gebaut werden, die "Hunderte Megawattstunden pro Jahr" vorhalten können, wie das Unternehmen sagt. Dafür hat Aquion eine bislang noch ungenannte Summe von bekannten Investoren wie KPCB eingeworben und erhält außerdem fünf Millionen Dollar im Rahmen eines Forschungsförderungsprogramms der US-Regierung.

Jay Whitacre, Professor für Materialwissenschaften an der Carnegie Mellon University, der Aquion Energy gegründet hat und auf dessen Erfindungen die Firma nun aufbaut, meint, dass die Kosten auf mindestens 200 Dollar pro Kilowattstunde fallen müssten. Erst dann sei man beispielsweise im US-Stromnetz konkurrenzfähig zu Erdgas. "Das Erreichen solcher Preise im Gigawattstundenbereich wird lange dauern", sagt er. "Aber irgendwo muss man ja anfangen."

Whitacre konzentrierte sich von Beginn an auf eine kostengünstige und langlebige Bauweise seiner Akkumulatoren. Bei der Suche nach einem passenden Elektrodenmaterial beschränkte er sich auf billige, massenverfügbare Elemente und landete schließlich bei Natrium und Mangan. Er wählte außerdem ein wasserbasiertes Elektrolytmaterial, weil es sicherer und billiger als das organische ist, das in Lithum-Ionen-Akkus steckt. Auch die Produktion lässt sich dadurch vereinfachen, was wiederum kosten senkt. Die eingesetzten Maschinen werden normalerweise in der Nahrungsmittelherstellung verwendet.

Erster Anwendungsbereich soll die Versorgung jener Menschen sein, die derzeit ganz ohne Anschluss an das Stromnetz auskommen müssen: in Ländern wie Indien, beispielsweise, wo die Leitungen kleinere Kommunen schlicht nicht erreichen. Viele dieser Orte setzen derzeit auf Dieselgeneratoren, doch der hohe Ölpreis könnte es bald attraktiv machen, auf Solarzellen und andere erneuerbare Energieformen umzusteigen.

Um am Tag generierte Energie für die Verwendung in der Nacht zu speichern, müssen Akkusysteme her, die flexibel genug sind. Die Aquion-Technik soll von wenigen Kilowattstunden bis in den Megawattstunden-Bereich arbeiten können, sagt Firmenchef Scott Pearson. "Solche Systeme würden Hochspannungsleitungen über viele Hundert Kilometer unnötig machen." Als Vorbild sieht er den Mobilfunk, der beispielsweise in Afrika viele Landstriche drahtlos versorgt, in die sonst niemals eine Telefonleitung verlegt worden wäre.

Aber auch Industrieländer sollen vom verstärkten Einsatz von Zwischenspeichern im Stromnetz profitieren. Diese könnten Energie bei geringer Nachfrage zurückhalten und sie dann bei Spitzenlast wieder abgeben. Fluktuationen, die sich durch die Verwendung von Wind- und Sonnenenergie ergeben, wären so außerdem besser ausgleichbar. Damit Aquion Energy diesen Markt erreichen kann, müsste die Produktionskapazität aber in den Gigawattstundenbereich erweitert werden. Außerdem ist das Erdgas, das unter anderem in den USA für Spitzenlastanwendungen zum Einsatz kommt, noch zu billig. Erst eine Massenproduktion der Akkusätze könnte die Kosten ausreichend senken, räumt Pearson ein.

Aquion Energy hofft, die Akkusätze anfangs für unter 300 US-Dollar pro Kilowattstunde zu verkaufen. Schon das wäre wesentlich billiger als konventionelle Lithium-Ionen-Batterien. Bleibatterien sind noch kostengünstiger als die Aquion-Akkus, halten aber nur zwei bis drei Jahre. Laut Aussagen von Pearson lassen sich die Batterien der Firma bis zu 5000 Mal aufladen und würden bei einem täglichen Ladevorgang mindestens zehn Jahre durchhalten. Das sollen Testreihen über viele Monate beweisen.

Die neue Aquion-Fabrik in Pennsylvania befindet sich derzeit in der Aufbauphase und soll bis 2013 in eine erste Produktionsphase gehen. "Wenn Sie ein Paper zu einer neuartigen Batteriechemie lesen, stellt sich oft Ernüchterung ein, wenn man dann das Kleingedruckte zur Herstellung betrachtet. Wir haben uns von vorneherein auf eine funktionierende Herstellung konzentriert", glaubt Whitacre. (bsc)