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Bundesdruckerei "gewinnt" den CCCeBIT-Award für Datenschutzkraken

Der Chaos Computer Club hat seinen Messepreis dem staatsnahen Unternehmen für seinen Einsatz bei der Einführung biometrischer Reisepässe verliehen.

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Nicht unbedingt willkommenen Besuch erhielt die Bundesdruckerei am heutigen Dienstag auf ihrem Stand auf der CeBIT (Halle 7, Stand B36). Etwa 50 Aktivisten vom Chaos Computer Club (CCC) überreichten dem staatsnahen Unternehmen den diesjährigen CCCeBIT-Award für die "Forcierung biometrischer Reisepässe mit RFID", wie Vereinssprecher Andy Müller-Maguhn in seiner "Laudatio" erklärte. "Die biometrischen Merkmale sind dabei auch aktiv auslesbar", führte der Hacker weiter aus. Der Bürger könne daher gar nicht wissen, dass seine Daten abgefragt würden. "Das ist ein klarer Verstoß gegen den Grundsatz der informationellen Selbstbestimmung", betonte Müller-Maguhn. Die Bundesdruckerei habe daher die Negativauszeichung, die der CCC alljährlich während der Nabelschau der IT-Branche vergibt, als Mithelfer beim Abbau von Datenschutz verdient.

Die von Bundesinnenminister Otto Schily seit langem geforderte und Ende 2004 über Brüssel durchgesetzte Einführung von Gesichtsbild und Fingerabdruck in den Pass ist dem CCC zufolge "sinnlos, gefährlich und trügerisch" Sicherheitsexperten des Clubs zeigten im vergangenen Jahr, dass sich beispielsweise viele Fingerabdruckscanner mit sehr geringem Material- und Zeitaufwand überlisten lassen. Das blinde Vertrauen in die technischen Möglichkeiten der Biometrie sei von der Realität eingeholt worden, glaubt der Verein. Grundsätzliche Fragen über das Verfahren und den Umgang mit den neuen Ausweisdokumenten sehen die Hacker noch ungeklärt. Etwa, wie bei einem Versagen des Funkchips verfahren werde. Der CCC fordert nun einen öffentlich begleiteten Feldtest mit einer ausreichend großen Nutzerzahl vor der geplanten Einführung der Pässe im Herbst. Außerdem müssten die sensiblen personenbezogenen Daten auf dem RFID-Chip verschlüsselt abgelegt und ihre Verwendung einer strengen Zweckbindung unterworfen werden.

Die Bundesdruckerei erhielt den Preis insbesondere für ihre Lobbyarbeit und gekonntes Ignorieren technischer Probleme. "Schily steht aber mit am Pranger", betonte Müller-Maguhn die darüber hinausweisende Zielrichtung des "Anti-Preises". Der CCC "fahndet" nach dem Bundesinnenminister seit Herbst 2004 auf einem "Plakat". Jörg Baumgartel, Geschäftsführer der internationalen Vertriebstochter BIS der Bundesdruckerei, nahm die Auszeichnung in Form einer Plastikkomposition mit Finger und Augapfel nach kurzem Zögern mit der Einladung zu einem Gespräch entgegen, "in dem wir ihre Bedenken ausräumen können".

Zuvor hatten die Aktivisten auf der Messe zahlreiche neuen Biometrie-Lesegeräte bewaffnet mit Latex und Silikonfingern genauer unter die Lupe genommen. Dabei konnten sie nach eigenen Angaben unter anderem Systeme beim Hersteller Dermalog (Halle 7, Stand C44) austricksen. "Es ist erstaunlich, wie einfach das immer wieder geht", konstatiert der Systemkomponentenexperte Mc Fly. Es sei "erschreckend", welchen "Mist" man mit der vermeintlichen Sicherheitstechnik anstellen könne. Die erforderliche "Hardware" zur Überlistung der Anlagen sei für 15 Euro in jedem Elektronikfachmarkt zu erstehen.

Am gestrigen Montag standen die biometrischen Ausweisdokumente auch im Zentrum des Datenschutztages. "Es gibt nicht nur keine Fälschungssicherheit, sondern der Datenmissbrauch ist auch vorprogrammiert", zeigte sich dort der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert besorgt. Ein Sicherheitsgewinn der biometrischen Aufrüstung der Pässe sei nicht nachgewiesen und die Technik nicht ausreichend erprobt. Letztlich gehe es den Sicherheitsbehörden nur um die "Erhöhung des Überwachungs- und Kontrollpotenzials".

Rolf-Rainer Jaeger, stellvertretender Bundesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, forderte auf dem Forum dennoch die Speicherung der biometrischen Merkmale in zentralen Dateien, um den Strafverfolgern das Abgleichen der Daten etwa mit Strafregistern zu ermöglichen. Dies könne nicht nur helfen, tausende gesuchte Verbrecher dingfest zu machen. Es sei auch ein geeignetes Hilfsmittel, um die Internetkriminalität zu bekämpfen. Online-Auktionen etwa könnten mit solchen Maßnahmen deutlich sicherer gestaltet werden. (Stefan Krempl) / (anw)