Verfassungsbedenken gegen automatische Kfz-Kennzeichenerfassung in Österreich

Der Österreichische Verfassungsgerichtshof hat in einem vorläufigen Beschluss die Grundrechtsvereinbarkeit des Scannens von Kfz-Kennzeichen zur Geschwindigkeitsüberprüfung angezweifelt.

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Der Österreichische Verfassungsgerichtshof hat in einem vorläufigen Beschluss (PDF-Datei) die Grundrechtsvereinbarkeit des Scannens von Kfz-Kennzeichen zur Geschwindigkeitsüberprüfung angezweifelt. In der Sache hegen die obersten Richter der Alpenrepublik schwere Bedenken, dass die rechtlichen Grundlagen für die pauschale Überwachungsmaßnahme verfassungswidrig sein dürften, heißt es in der vor kurzem bekannt gewordenen Entscheidung. Die Richter halten die entsprechenden Normen in der österreichischen Straßenverkehrsordnung und im Kraftfahrgesetz für zu ungenau und fürchten, dass sie zu weit in die Privatsphäre der Bürger eingreifen. Geklagt hatte ein Bürger, der in einem Tunnel der Donauuferautobahn 12 km/h zu schnell gefahren sein soll.

Der Verfassungsgericht sieht mit der Rechtslage in Österreich eine Ermächtigung einhergehen, mit Hilfe automatischer Geschwindigkeitsmesssysteme die durchschnittliche Fahrgeschwindigkeit eines Fahrzeugs auf einer bestimmten Wegstrecke festzulegen. Dabei würde die gesamte Messstrecke "als Tatort" gelten. Das Gesetz scheine es zu ermöglichen, dass jedes Kraftfahrzeug, das die Messpunkte passiert, unabhängig von einer Überschreitung der festgesetzten Höchstgeschwindigkeit gespeichert werde. Und zwar in einer Weise, dass der Halter und Lenker des jeweiligen Kraftfahrzeuges festgestellt werden könnten.

Dem halten die Verfassungsrichter entgegen, dass laut den geltenden österreichischen Datenschutzgesetzen jedermann Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten insbesondere im Hinblick auf Achtung seines Privat- und Familienlebens habe. Beschränkungen dieses Grundrechts seien nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur aufgrund von Gesetzen zulässig. Dabei müssten die entsprechenden juristischen Normen "die Eingriffsmöglichkeiten abschließend und umfassend zu umschreiben". Zudem müsse eine solche Ermächtigungsgrundlage "ausreichend präzise, also für jedermann vorhersehbar, bezeichnen, unter welchen Voraussetzungen die Ermittlung beziehungsweise die Verwendung der Daten für die Wahrnehmung konkreter Verwaltungsaufgaben zulässig ist".

Dem Gesetz fürs Kfz-Kennzeichenscanning scheint den Richtern aber ein Hinweis zu fehlen, "wer die Datenerhebung anzuordnen hat, auf wessen Anordnungen die Daten verwendet und insbesondere für welche Zwecke sowie für welchen Zeitraum sie gespeichert werden dürfen". Schließlich sei vorerst auch nicht ersichtlich, welchen Löschungsverpflichtungen die auf diese Weise ermittelten Daten unterliegen. Es sei zwar davon auszugehen, dass der Gesetzgeber nur auf "bestimmten Wegstrecken" die Feststellung der Überschreitung einer ziffernmäßig festgesetzten Höchstgeschwindigkeit durch automatische Geschwindigkeitsmesssysteme ermöglichen wollte und eine totale Überwachung sämtlicher Straßen nicht ohne weiteres zulässig wäre. Der Verfassungsgerichtshof fürchtet jedoch, dass die in Prüfung gezogenen Bestimmungen eine Ermittlung der Daten sämtlicher Verkehrsteilnehmer, die eine bestimmte Wegstrecke befahren, unabhängig von der Begehung einer Geschwindigkeitsübertretung erlauben. Eine endgültige Entscheidung in dem Fall steht noch aus.

Hierzulande prüfen derweil das Bundesverfassungsgericht und der Hessische Staatsgerichtshof eine Befugnis in Hessen zum automatischen Nummernschild-Scanning. Dem 2005 novellierten Polizeigesetz zufolge dürfen jederzeit und überall Kfz-Kennzeichenlesegeräte aufgestellt werden, um die Kennzeichen vorbeifahrender Fahrzeuge automatisch mit Fahndungslisten abzugleichen. Der Kläger hält demgegenüber einen permanenten, verdachtslosen Abgleich beliebiger Fahrzeuge mit Fahndungsdaten für unverhältnismäßig. Er stützt sich auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Rasterfahndung, in der "Ermittlungen ins Blaue hinein" für unzulässig erklärt werden.

Das Verfahren ist auch für andere Länder relevant, da Bayern, Bremen, Hamburg und Rheinland-Pfalz ähnliche Regelungen eingeführt haben. Auch die Gesetzgeber im Saarland oder in Schleswig-Holstein liebäugeln mit entsprechenden Befugnissen für die Strafverfolger. Datenschützer fordern dagegen die Streichung solcher Überwachungsmöglichkeiten. (Stefan Krempl) / (jk)