Querelen um elektronische Bücherverwertung in Bibliotheken gehen weiter

Das Aktionsbündnis Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft lehnt die Einigung zwischen Verlagen und Bibliotheken zur elektronischen Bücherverwertung entschieden als rückständig ab.

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Das Aktionsbündnis Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft lehnt die Einigung zwischen Verlagen und Bibliotheken zur elektronischen Bücherverwertung entschieden als rückständig ab. Die Vereinbarung "weist eindeutig in die falsche Richtung", kritisiert der von über 320 wissenschaftlichen Fachgesellschaften und Informationseinrichtungen unterstützte Interessensverbund. Sie sei zudem nur eingeschränkt gültig, da der Börsenverein des deutschen Buchhandels als einer der Partner der mit dem Deutschen Bibliotheksverband (DBV) getroffenen Stellungnahme "kaum für die internationale Zeitschriftenverlage sprechen kann". Diese hätten aber den weitaus größten Marktanteil und müssten als die eigentlichen Verursacher der so genannten Zeitschriften- oder Bibliothekskrise gelten. Von einer "Beilegung" des Streits um den Online-Versand von Dokumenten im Wissenschaftsbereich könne so allgemein nicht die Rede sein.

Im Einzelnen bemängelt das Aktionsbündnis, dass gemäß der Vereinbarung die Nutzung elektronischer Materialien im Rahmen einer "On the spot"-Regelung nur in den Räumen der Bibliothek erlaubt sein wird. Es solle so darauf verzichtet werden, dass Bücherhallen ihre Bestände selbst digitalisieren, wenn die Verlage entsprechende elektronische Angebote machen. Eine Konzeption für die Langzeitsicherung der Informationswerke habe der Börsenverein aber nicht vorgelegt. "Wo ist die Diskussion um virtuelle Bibliotheken geblieben?", wundert sich Bündnissprecher Rainer Kuhlen über das Einlenken des DBV in dieser Zukunftsfrage. Weiter kaum einzusehen sei die Bindung der gleichzeitigen Anzeige von Lesematerialien an die Anzahl der in der Bibliothek real vorhandenen Exemplare oder die Aufgabe der Autonomie über die Preisgestaltung bei der bibliothekarischen Dokumentlieferung.

Den Nutzern wird laut der Wissenschaftlervereinigung ferner zugemutet, "dass ihnen Dokumente, die sie über elektronische Fernleihe erhalten sollen, nur als Papierausdrucke zugehen". Den Verlagen werde auch eine Mitsprache bei der "angemessenen" Preisgestaltung zugestanden, die nach Einschätzung des Bündnisses "vermutlich zwischen der jetzigen Fernleihe und den Marktpreisen liegen wird". Auf Studierende kämen dann pro verlangtem Artikel deutlich erhöhte Kosten von mindestens 15 Euro zu. Gänzlich inakzeptabel sei aber die Zustimmung zur Einführung von Techniken zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) beim verabredeten Versand der grafischen, in engen Grenzen zum Ausdruck vorgesehenen Dateien zur Sicherung gegen "Vervielfältigung und Weiterleitung". Dies sei rückständig in einer Zeit, in der selbst Apple-Chef Steve Jobs vom Einsatz von Kopierschutzverfahren beim digitalen Musikverkauf abrate und die Nutzer unzufrieden über den Erwerb DRM-verplombter Dateien seien.

Das Aktionsbündnis hat seine Bedenken auch in Briefen an Bundesforschungsministerin Annette Schavan und Bundesjustizministerin Brigitte Zypries zum Ausdruck gebracht. Die elektronische Dokumentenversorgung sei für Bildung und Wissenschaft zu wichtig, als dass sich die Politik alleine auf eine Einigung zwischen Börsenverein und DBV stützen könnte, heißt es darin. Das Aktionsbündnis hat daher den Ministerien vorgeschlagen, neben den bislang Beteiligten auch Vertreter aus dem Kreis der Allianz der Wissenschaftsorganisationen sowie etwa der Bund-Länder-Kommission (BLK) oder der Kultusministerkonferenz (KMK) zu einer erneuerten Gesprächsrunde zu versammeln. Im Übrigen dürfe die Politik durch diesen "unzureichenden Versuch", eine außerurheberrechtliche vertragliche Einigung zu erreichen, nicht aus der in der Koalitionsvereinbarung selbst bestätigten Pflicht entlassen werden, im Rahmen des so genannten 2. Korbs ein "bildungs- und wissenschaftsfreundliches Urheberrecht" zu schaffen und dabei die Forderungen von Expertenseite zu berücksichtigen.

Zu den Diskussionen um das geistige Eigentum, zu den juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):

(Stefan Krempl) / (jk)