Widersprüchliche Konzepte für das Internet Governance Forum

Das IGF war im Verlauf des Weltgipfels der Informationsgesellschaft gegründet worden, nachdem es heftigen Zoff über die Internet-Verwaltung, ihre Internationalisierung und das Beharren der USA auf die Internet-Oberaufsicht gab.

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Von
  • Monika Ermert

Ab heute diskutieren in Genf Diplomaten und Nicht-Regierungsvertreter über erste Erfolge und nächste Schritte des Internet Governance Forum (IGF). Das Forum war nach Vereinbarungen zwischen Regierungsvertretern auf dem Weltgipfel der Informationsgesellschaft (WSIS) erstmals im vergangenen Herbst zusammengetreten, um sich über Fragen globaler Netzpolitik zu verständigen – zuvor hatte es im Verlauf des Weltgipfels heftigen Zoff um die Internet-Verwaltung, ihre Internationalisierung und das Beharren der USA auf die Internet-Oberaufsicht gegeben. Trotz generellen Lobes gibt es nach wie vor zwei konkurrierende Konzepte, was das IGF kann und darf.

"Einige Kommentatoren argumentieren, dass das IGF Schlussfolgerungen ziehen und politische Empfehlungen aussprechen muss", heißt es in einem aktuellen Papier des rührigen IGF-Sekretariats, das die eingegangenen Rückmeldungen zum ersten IGF zusammengefasst hat. Kernpunkte, um die sich das Forum zu kümmern habe, sind nach Ansicht dieser Fraktion die "kritischen Netzressourcen" – damit ist die Verwaltung von Domain Name System und Rootzone gemeint – und die "verbesserte Zusammenarbeit". Letztere ist die verklausulierte Forderung, dass die Netzverwaltung stärker internationalisiert werden müsse. Genau dagegen hatten sich die USA und auch Teile der technischen Expertengremien gewandt. "Andere Kommentatoren betonen", schreibt denn auch das IGF-Sekretariat, "das IGF solle nicht eigenmächtig versuchen, seine Aufgabe zu verändern oder auszuweiten".

Eine der von Regierungen, Nichtregierungsorganisationen und Unternehmen beim ersten IGF gemeinsam gegründeten "dynamischen Koalitionen", die "Dynamic Coalition on Privacy", hat sich bereits in Genf zu Gesprächen getroffen. In den "Dynamic Coalitions" sind jeweils, auf freiwillger Basis, alle drei Gruppen von Betroffenen (neudeutsch Stakeholdergruppen genannt) vertreten – Regierungen, Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft. Im weiteren Verlauf des Internet Governance Forum der UN sollen die dynamischen Koalitionen jeweils ein Thema betreuen beziehungsweise Lösungen voranbringen. Der Zusammenschluss von Organisationen und Akteuren, die zu einem Thema im Bereich der Koordination und Regulierung des Netzes arbeiten, gehört zu einem der zentralen Ziele, die beim Weltgipfel der Informationsgesellschaft formuliert wurden.

Die "Dynamic Coalition on Privacy", unterstützt unter anderem von der französischen Regierung, Microsoft, Cisco und deutschen Datenschützern des Unabhängigen Landeszentrums für den Datenschutz (ULD), vereinbarte, Thesenpapiere zu den Themen Datenschutz und Identität, Datenschutz und Entwicklungspolitik sowie Datenschutz und Meinungsfreiheit zu verfassen. Beim Treffen in Rio will man den Datenschutz in den globalen Netzen ganz oben auf der Agenda platzieren. Man wolle in den kommenden Monaten vor allem auch den Kontakt zu Regierungsvertretern aus dem Bereich innere Sicherheit suchen, erklärte Ralf Bendrath von der Universität Bremen, einer der Initiatoren der Koalition, die sich als eines der ersten erfolgreichen Projekte des IGF-Prozesses erweisen könnte.

Auch in Deutschland könnte das Thema "Internet Governance" bald in einer nationalen Arbeitsgruppe mit Regierung, Unternehmen und Zivilgesellschaft intensiver diskutiert werden. Der Völkerrechtler und IGF-Aktivist Wolfgang Kleinwächter, Berater des IGF-Vorsitzenden Desai, bestätigte, dass es dazu erste Vorgespräche gebe. Kleinwächter, der die Gespräche mit initiiert hat, sagte, eine Lektion des ersten IGF-Treffens in Athen sei, dass viele Probleme auf lokaker Ebene bestünden und diskutiert werden müssten. Ein erstes Treffen eines nationalen IGF könnte im Sommer stattfinden. (Monika Ermert) / (jk)