Bundesrat will Hackerparagraphen durchwinken

Der Entwurf für die Novelle des Strafgesetzbuches zur Bekämpfung der Computerkriminalität steht in der Länderkammer auf der "grünen Liste", während es Bedenken gegen Brüsseler Vorgaben zur Netzkriminalität gibt.

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Im Bundesrat zeichnet sich kein Widerstand gegen die vom Bundestag unter heftigen Protesten von Wirtschaftsvereinigungen und Sicherheitstestern verabschiedete Novelle des Strafgesetzbuches (StGB) zur Bekämpfung der Computerkriminalität ab. Der federführende Rechtsausschuss und der mitberatende Wirtschaftsausschuss empfehlen den Länderchefs vielmehr, in der Plenarsitzung am Freitag in einer Woche von einer Anrufung des Vermittlungsausschusses mit dem Parlament abzusehen. Der Gesetzesentwurf steht so bereits auf der "grünen Liste", soll also ohne weitere Aussprache abgesegnet werden.

In der Erläuterung (PDF-Datei) zu dem entsprechenden Tagesordnungspunkt werden die zahlreichen Bedenken der Länderkammer aus der Stellungnahme zum Regierungsentwurf auszugsweise noch einmal aufgezählt. Seinerzeit wies der Bundesrat insbesondere auf die Gefahr hin, durch eine weite Tatbestandsfassung auch solche Handlungsweisen zu kriminalisieren, "die das Verdikt der Strafbarkeit nicht verdienten". Die Rede war davon, dass die Verbote auf eine "unüberschaubare Palette von Handlungen" ausgedehnt würden, "die eine strafrechtliche Verfolgung nicht verdienten". Auch "kaum überwindliche Auslegungsprobleme" seien zu befürchten. Die Länder hatten daher – ähnlich wie Experten bei einer parlamentarischen Anhörung – Änderungen an dem Konstrukt für "zwingend geboten" gehalten.

Obwohl der Bundestag den Entwurf gemäß einer Empfehlung seines Rechtsausschusses unverändert beschloss, sind die Bedenken der Länder nun verflogen. Allein Berlin hatte sich im Rahmen der Ausschussberatungen für das Einschalten des Vermittlungsausschusses stark gemacht. Den Politikern aus der Hauptstadt schienen unter anderem die Regelungen zur Kriminalisierung von Denial-of-Service-Attacken zu strikt geraten, weil dadurch ihrer Ansicht nach auch legitime Online-Demonstrationen in Form der Belagerung von Servern betroffen sind. Überdies plädierten sie für den Einbau eines gesonderten Verbots von Phishing-Attacken. Die Mehrheit der Bundesländer brachten sie damit aber nicht auf ihre Seite.

Besonders umstritten in dem Entwurf, der mit dem Segen des Bundesrats noch im Sommer in Kraft treten könnte, ist der neue Paragraph 202c StGB. Danach soll die Vorbereitung einer Straftat durch Herstellung, Beschaffung, Verkauf, Überlassung, Verbreitung oder Zugänglichmachen von Passwörtern oder sonstigen Sicherheitscodes für den Datenzugang sowie von geeigneten Computerprogrammen künftig mit Geldstrafe oder Freiheitsentzug bis zu einem Jahr geahndet werden. Die damit kriminalisierten "Hacker-Tools" dienen auch Systemadministratoren, Programmierern und Beratern dazu, Netzwerke und Endgeräte auf Sicherheitslücken zu prüfen. Beruhigt hat die Landespolitiker hier anscheinend vor allem eine Zusatzerklärung des Rechtsausschusses des Bundestags. Demnach sollen nur Computerprogramme betroffen sein, die in erster Linie dafür ausgelegt oder hergestellt werden, um Straftaten gemäß der Hackerparagraphen zu begehen.

Wenig Verständnis haben der Rechts- und der Europa-Ausschuss der Länderkammer dagegen für das Bestreben der EU-Kommission, im Rahmen einer Mitteilung eine "allgemeine Politik zur Bekämpfung der Internetkriminalität" der EU zu lancieren. Das Anliegen an sich sei zwar begrüßenswert, heißt es in den Empfehlungen (PDF-Datei) zu diesem Punkt. Man habe aber "erhebliche Bedenken", ob die geplante Vereinheitlichung der Rechtsvorschriften etwa für einen gemeinsamen Straftatbestand des Identitätsdiebstahls über Brüssel herbeigeführt werden könne: "Sofern hierdurch auch Fälle der Alltagskriminalität ohne internationalen Bezug und ohne Bezug zu organisierter Kriminalität, Terrorismus oder illegalem Drogenhandel betroffen wären, dürfte eine Kompetenz auch unter Beachtung von Subsidiaritätsgesichtspunkten kaum zu rechtfertigen sein."

Der Jugend- und der Europa-Ausschuss sehen ferner vorrangigen Handlungsbedarf bei der Verbreitung von Kinderpornographie über das Netz. Unterstützenswert sei daher der Ansatz, "durch einen Dialog zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor zu Vereinbarungen über das EU-weite Blockieren von Webseiten mit illegalen und insbesondere kinderpornografischen Inhalten zu gelangen und insoweit auch den Dialog mit Drittländern zu suchen". In diesem Zusammenhang müsse auch der Zugang Jugendlicher zu gewaltverherrlichenden Inhalten im Internet besser unterbunden werden. (Stefan Krempl) / (anw)