RFID-Implantate für Menschen (noch) kein großes Geschäft

Seit dem Jahr 2004 darf das US-Unternehmen VeriChip implantierbare RFID-Chips für Menschen vertreiben. Was in der Viehzucht schon gang und gäbe ist, kommt beim Homo sapiens sapiens aber offenbar nicht so gut an.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Für die einen sind sie der Inbegriff des Orwellschen Albtraums, für andere ein technischer Fortschritt, der sich nach Möglichkeit auch gewinnbringend vermarkten lassen soll: Implantierbare RFID-Chips für Menschen. Doch was bei Tieren schon gang und gäbe ist, kommt beim Homo sapiens sapiens offenbar nicht so gut an. Die US-amerikanische VeriChip Corporation, die im Jahr 2004 von der Arzneimittelaufsichtsbehörde FDA (Food and Drug Administration) eine Zulassung für implantierbare RFID-Chips im Humanbereich in den Vereinigten Staaten erhalten hatte, konnte bis Ende 2006 erst 222 Patienten dafür gewinnen, sich den 1,2 Zentimeter langen und 2 Millimeter dicken Glaszylinder mit passivem RFID-Transponder unter die Haut einpflanzen zu lassen. Diese Zahl veröffentlichte das Unternehmen in einem Bericht an die US-Börsenaufsicht SEC (Securities and Exchange Commission) anlässlich des am vergangenen Freitag erfolgten Börsengangs.

Enttäuschend ist für VeriChip dem Bericht zufolge auch die Umsatzentwicklung verlaufen: "Bis heute haben wir lediglich rund 100.000 US-Dollar über den Verkauf von Microchip Inserter Kits eingenommen, deutlich weniger als in unseren Geschäftsplanungen einkalkuliert", heißt es in den SEC-Unterlagen. Selbstkritisch gibt VeriChip an, dass viele Personen, die eigentlich die Voraussetzungen für das Implantat erfüllen würden, offensichtlich keinen Microchip im rechten Oberarm tragen wollten. Die Ärzteschaft zeige sich zudem abgeneigt, die Möglichkeit eines RFID-Implantats überhaupt mit den Patienten zu diskutieren. "Möglicherweise werden wir mit dem System nie die erhoffte Marktakzeptanz erreichen und nur auf geringe oder höchstens mäßige Absatzzahlen kommen", führt das Unternehmen im SEC-Filing weiter aus.

Gedacht ist das VeriChip-Implantat-System Unternehmensangaben zufolge vor allem für Patienten, die bewusstlos in ein Krankenhaus eingeliefert werden. Die auf dem RFID-Chip gespeicherten Patientendaten werden mit dem Krankenhaus-Managementsystem gekoppelt, sodass medizinische Abteilungen wichtige Parameter über bislang erfolgte Untersuchungen oder therapeutische Maßnahmen direkt auf dem Computer-Bildschirm abrufen können. Eingesetzt wurde das System zuletzt auch von der US-amerikanischen Katastrophen-Einsatztruppe DMORT (Disaster Mortuary Operational Response Team), um Todesopfer des Wirbelsturms Katrina besser identifizieren zu können. Wurde eine Leiche gefunden, injizierten die Einsatzkräfte einen RFID-Chip mit 16-stelliger Verifizierungsnummer. Zusätzlich wurden Informationen zur Fundstelle und zum Zustand der Leiche aufgenommen, die ebenfalls in eine Datenbank eingepflegt wurden.

Der Umsatz, den VeriChip derzeit generiert, kommt nahezu ausschließlich von den im Jahr 2005 übernommenen kanadischen Unternehmen EXI Wireless und Instantel, zwei auf Kleinkind-, Senioren-, Raum- und Sachmittelüberwachung mittels (nicht implantierter) RFID-Technik spezialisierte Firmen. Für die ersten neun Monate des Geschäftsjahres 2006 weist VeriChip bei Umsätzen in Höhe von 20,3 Millionen US-Dollar einen Vorsteuerverlust von knapp 4 Millionen US-Dollar aus. Laut SEC-Filing hat das Unternehmen seit seiner Gründung durch Applied Digital Solutions im Jahr 2001 nie die Gewinnzone erreicht. Der kumulierte Verlust belaufe sich zum 30. September 2006 auf 13,8 Millionen US-Dollar. Auch in der näheren Zukunft sei nicht mit Gewinnen im operativen Geschäft zu rechnen, heißt es in den Unterlagen.

Mit dem Börsengang am vergangenen Freitag sollte deshalb vor allem frisches Geld in die Kassen kommen. VeriChip bot insgesamt 3,1 Millionen Aktien zu einem Stückpreis von 6,50 US-Dollar an. Doch der Markt strafte das Unternehmen ab: Zu Börsenschluss am gestrigen Montag in New York notierte das VeriChip-Papier nur noch bei 6,15 US-Dollar, ein Minus gegenüber dem IPO-Preis von 5,5 Prozent. Die finanzielle Situation des Unternehmens erneut verschlechtern dürfte eine Vereinbarung mit Digital Angel, das die RFID-Implantat-Systeme zunächst für die Viehzucht entwickelt hatte und die Technik anschließend an VeriChip lizenzierte. Im Jahr 2007 muss VeriChip von Digital Angel Chips und Lesegeräte im Wert von 875.000 US-Dollar kaufen, 2008 sogar für 1,75 Millionen US-Dollar. Digital Angel wiederum bezieht die Chips von der spanischen Tochter des Raytheon-Konzerns. (pmz)