Alters-Check bei Amazon?

Der Online-Versandhandel muss sich künftig auf noch strengere Regeln beim Vertrieb von Filmen und Computerspielen gefasst machen.

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Von
  • Monika Ermert

Der Online-Versandhandel muss sich künftig auf noch strengere Regeln beim Vertrieb von Filmen und Computerspielen gefasst machen. In einer jüngst von der Arbeitsgemeinschaft der obersten Landesjugendbehörden verabschiedeten gemeinsamen Rechtsauffassung gehen diese über ein einschlägiges Urteil des Oberlandesgerichts München vom vergangenen Jahr sogar noch etwas hinaus und fordern Altersüberprüfungen sogar beim Versand von für Jugendliche freigegebene Medien.

Das OLG München hatte vor gut einem Jahr verfügt, dass beim Online-Versand von Medien ohne Jugendfreigabe (ab 18) beziehungsweise bei nicht gekennzeichneten Medien der Alterscheck beim Bestellvorgang nicht ausreicht. Vielmehr muss durch geeignete Verfahren, etwa einer persönlichen Zustellung, auch bei der Lieferung gesichert werden, dass die Sendung nicht in die Hände eines Jugendlichen fällt. Diese Regelung schreiben nun auch die obersten Landesjugendbehörden in ihrer Rechtsauffassung fest. Allerdings, meinte der zuständige Referent im federführenden Rheinland-Pfälzischen Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend, hätten die Behörden diese Erfordernis bereits vor der Münchner Entscheidung vertreten. Diese Auslegung sei im § 1 Abs. 4 Jugendschutzgesetz (JuSchG) vorgegeben.

Noch einen Schritt weiter gehen die Länder allerdings nun bei den Bestimmungen zur Abgabe von Bildträgern, die von der Freiwilligen Selbstkontrolle Film (FSK) beziehungsweise der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) die Kennzeichen "Freigegeben ohne Altersbeschränkung", "Freigegeben ab sechs Jahren", Freigegeben ab zwölf Jahren" oder "Freigegeben ab sechzehn Jahren" erhalten haben. Auch dafür soll "im Zweifelsfall" eine Altersüberprüfung stattfinden, heißt es in dem von den Behörden zur Veröffentlichung vorbereiteten Papier. Danach muss ein Online-Händler künftig also eigentlich prüfen, ob ein 13-Jähriger einen "ab-16-Film" zu ergattern versucht.

"Grundsätzlich ja", lautet der Kommentar aus dem Ministerium auf Nachfragen, ob dies tatsächlich so zu verstehen ist. In der Praxis werde die Frage wohl "regelmäßig nur für Bildträger mit einer Kennzeichnung 'Freigegeben ab 16 Jahre' Relevanz entfalten", heißt es in der Auskunft, "da Unter-Zwölfjährige in der Regel noch nicht über die notwendigen Mittel für die Zahlungsmodalitäten im Internet verfügen werden." Man empfehle daher, auch beim Vertrieb von freigegebenen Bildträgern für Kinder und Jugendliche geeignete Schutzvorkehrungen vor "entwicklungsbeeinträchtigenden" Inhalten zu treffen. Für den Alterscheck vorgeschlagen werden von der Kommission für Jugendmedienschutz anerkannte Alterskontrollsysteme, etwa den Abgleich der Bestellerdaten mit der Schufa-Datenbank. Die KJM wurde mit den aktuellen Bestimmungen zum Jugendmedienschutz  (etwa das JugendschutzgesetzJuSCHG, und für die KJM der JugendmedienschutzstaatsvertragJMStV) eingerichtet, die am 1. April 2003 in Kraft traten.

Unternehmensvertreter aus dem Online-Geschäft reagierten auf die Zweifelskontrolle bei FSK- und USK-gekennzeichneten Medien mit Kopfschütteln und leichter Belustigung: "Wenn es einem Fünfjährigen gelingt, online den Babynator zu bestellen, und zwar ohne dass die Eltern es bemerken, würde man den Eltern vermutlich erst einmal zum ihrem frühreifen Sprössling gratulieren." Auch der Münchner Rechtsanwalt und Jugendschutzexperte Marc Liesching beurteilt die weitergehenden Regeln skeptisch: "Beim vergleichendem Blick auf die recht liberalen und durch Kinder und Jugendliche vergleichsweise leicht umgehbaren Restriktionen im Bereich Rundfunk – FSK-16-Filme dürfen ab 22.00 Uhr laufen, bei Ausnahmegenehmigung sogar früher – dürfen die Anforderungen an die 'Zweifelsfallskontrolle' nicht überhöht werden." Laut Liesching gibt es übrigens auch hinsichtlich der Doppelprüfung beim Versand der nicht jugendfreien Medien einige Bedenken. "Der Face-to-Face-Check kann für Bildträger ohne Jugendfreigabe in der Tat mit guten Gründen gefordert werden", sagt er. Fraglich sei allerdings, ob eine darüber hinaus gehende Kontrolle im Rahmen der Zustellung erforderlich sei.

Wie eine Bestellung etwa über Amazon.com statt Amazon.de gehandhabt werden soll, ist angesichts der strikten deutschen Regelungen eine weitere, ungeklärte Frage. Die Rechtsauffassung richte sich naturgemäß in erster Linie an Versandhändler in Deutschland, lautet die offizielle Stellungnahme. Im Prinzip wären die Versandhandelsbestimmungen des JuSchG aber auch bei Vertriebswegen über das Ausland zu berücksichtigen. Laut Liesching würde beim Vertrieb ausländischer Medien hierzulande eine aus dem jeweiligen Land stammende Altersbewertung ebenfalls nicht ausreichen.

Als weiteres Thema haben sich die Landesjugendbehörden das Treiben in gewerblichen Internetcafes vorgeknöpft. Diese gelten als Spielhallen, in denen sich Kinder prinzipiell gar nicht aufhalten dürfen, es sei denn, Spiele werden generell untersagt oder werden unter Anleitung von Fachpersonal im Sinne der Medienkompetenz gepflegt. Auch beim Internet-Zugang müssen die Betreiber ihre jugendlichen Kunden beaufsichtigen, damit diese nichts sehen, was nach Ansicht der Jugendschützer ihrem Alter unangemessen ist. (Monika Ermert) / (jk)