Österreich: Telefonzellen-Zugang zu Gratis-Rufnummern gefährdet
Die Telekom Austria soll die kostenlosen 0800-Rufnummern in Telefonzellen sperren dürfen. Probleme drohen im Zusammenhang mit Calling Cards und sozialen Diensten.
Der österreichische Vizekanzler und Verkehrsminister Hubert Gorbach (BZÖ) will per Verordnung der Telekom Austria (TA) erlauben, die per Gesetz für Anrufer kostenlosen 0800-Rufnummern in Telefonzellen zu sperren. Kritiker weisen darauf hin, dass dadurch in der Alpenrepublik eine massive Verteuerung von Calling Cards und die eingeschränkte Erreichbarkeit sozialer Dienste drohten.
Der teilstaatliche Ex-Monopolist TA versucht seit Jahren, eine so genannte Payphone Access Charge einzuführen: Die Betreiber der angerufenen 0800-Nummern sollen pro Gesprächsminute einen zusätzlichen zweistelligen Cent-Betrag entrichten. Da es dafür jedoch keine rechtliche Grundlage gibt, wurden entsprechende Bescheide der Regulierungsbehörde vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben.
Nach dem Telekommunikationsgesetz müssen 0800-Rufnummern für Endnutzer gratis erreichbar sein. Der Quellnetzbetreiber kassiert dafür von den Besitzern der Nummern eine Minutengebühr. Diese darf laut Verwaltungsgerichtshof für Anrufe von Telefonzellen nicht höher sein als von gewöhnlichen Festnetzanschlüssen.
Die TA möchte aber für solche Anrufe von öffentlichen Fernsprechapparaten dennoch den rund 15-fachen Betrag kassieren und drohte bereits mit der Blockade der Gratisrufnummern. Die betroffenen Netzbetreiber zogen vor Gericht und erwirkten eine einstweilige Verfügung, welche die Blockade untersagt.
Nun hat die TA den Vizekanzler, der voraussichtlich bald in die Privatwirtschaft wechseln wird, dazu überredet, das laufende Gerichtsverfahren per Verordnung zu umgehen. Mit einer Novelle der Universaldienstverordnung soll der Netzbetreiberin noch im Sommer ausdrücklich erlaubt werden, in Telefonzellen 0800-Nummern zu sperren. Als Folge könnte die TA eine "Payphone Access Charge" in nahezu beliebiger Höhe verlangen. Sollte der Inhaber der betreffenden 0800-Rufnummer die verschärften Bedingungen nicht anerkennen und zahlen, wäre er von öffentlichen Fernsprechapparaten aus nicht mehr erreichbar.
"Hier werden die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofs ebenso ignoriert wie das mehrmalige Nein von Zivilgerichten", so Achim Kaspar, Präsident des Verbands Alternativer Netzbetreiber (VAT). "Nicht nur, dass die alternativen Netzbetreiber damit vollkommen der Willkür der Telekom Austria ausgesetzt sind – Österreich verstößt mit der Änderung der Universaldienstverordnung aus Sicht des VAT auch gegen EU-Recht."
Die neue Regelung würde besonders notrufähnliche Services wie beispielsweise Kinderhotlines, Frauennotrufe, Telefonseelsorgedienste, die Kinder- und Jugendanwaltschaft, das Bundessozialamt, das Rote Kreuz oder Tierschutzeinrichtungen treffen. Diese sozialen Dienste werden häufig von Telefonzellen aus angerufen. Außerdem würden sich Auslandsgespräche mit Calling Cards wesentlich verteuern. Diese Karten werden erfahrungsgemäß besonders von Anrufern genutzt, die sozial schwachen Bevölkerungsgruppen angehören.
Die TA begründet ihre Forderung nach mehr Geld mit den hohen Fixkosten der Telefonzellen. Die Verluste aus diesem Geschäftsfeld würden der TA allerdings aus dem Universaldienstfonds ersetzt, welcher von allen Telekommunikationsanbietern umsatzanteilig gespeist werden müsste. Daher meint der VAT, dass die TA mit der neuen Gebühr vor allem die Anbieter von Calling Cards aus dem Markt drängen möchte.
Bis 10. August hat jedermann Gelegenheit, brieflich oder per E-Mail eine Stellungnahme zur geplanten Novelle abzugeben. (Daniel AJ Sokolov) / (psz)