Starker geomagnetischer Sturm droht
Nach einem schweren Strahlungsausbruch und Masseauswurf auf der Sonne droht der Erde der schwerste geomagnetische Sturm seit vielen Jahren.
In der vorvergangenen Nacht ereignete sich in der Fleckengruppe 11429 auf der Sonne ein großer Röntgenausbruch der Stärke X5 (500 µW/m²). Gleichzeitig mit der Röntgenstrahlung schleuderte die Sonne eine gewaltige Plasmawolke mit hoher Geschwindigkeit in den Raum (Coronal Mass Ejection, CME), die sich seither der Erde nähert. Analysen der NASA zufolge trifft der Ausbruch die Erde ziemlich mittig und könnte damit einen schweren geomagnetischen Sturm auslösen. Der Sturm begann einer Meldung des Space Weather Prediction Center (SWPC) zufolge um 12:05 Uhr mitteleuropäischer Zeit mit Eintreffen einer starken Schockfront.
Nach Analysen des SWPC wird der geomagnetische Sturm im Maximum vermutlich die Stärke drei auf der fünfteiligen Skala erreichen ("G3 likely"), das Institut veröffentlichte bereits gestern Abend eine entsprechende Vorwarnung. Wenige Stunden nach dem Röntgenstrahlungsausbruch setzte zusätzlich ein starker Strahlungssturm ein. Die ohnehin leicht über der normalen Hintergrundstrahlung von 0,3 pfu liegenden Protonenzahlen erhöhten sich auf mittlerweile über 3000 pfu. Mit dem Einsetzen des geomagnetischen Sturms könnte dieser Wert nochmals übertroffen werden.
Der geomagnetische Sturm könnte der heftigste seit fünf Jahren werden. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn in den vergangenen fünf Jahren durchlief die Sonne ein so langes und tiefes Aktivitätsminimum wie seit rund 100 Jahren nicht mehr und nähert sich nun wieder dem Aktivitätsmaximum. Wie schwer der Sturm genau ausfällt, ist schwierig einzuschätzen, weil die Interaktion der Plasmawolke mit dem Erdmagnetfeld nicht nur von Geschwindigkeit und Dichte der Plasmawolke abhängt – beide sind bei diesem Ausbruch hoch – sondern auch von der magnetischen Ausrichtung des Feldes innerhalb der Plasmawolke.
Eine besondere Gefahr für Satellitensysteme oder Infrastruktur auf der Erde geht von Ereignissen dieser Stärke nicht aus. Transpolare Flüge müssen jedoch wegen des starken Strahlungssturms auf niedrigere Flughöhen oder niedrigere Breiten umgeleitet werden, um die Crew und die Passagiere zu schützen. Transpolare Kurzwellenverbindungen werden durch den Strahlungssturm weitgehend ausfallen, GPS-Systeme durch den geomagnetischen Sturm etwas ungenauer.
Satellitensysteme werden durch Single Event Upsets, also kippende Bits im Arbeitsspeicher und Rauschen auf den Bildaufnehmern durch den Strahlungssturm beeinträchtigt. Solche Effekte werden aber bei der Konstruktion von Satelliten berücksichtigt. Falls der geomagnetische Sturm stärker als erwartet ausfällt und bis zur ersten Nachthälfte in Mitteleuropa anhält, könnten in Deutschland wieder Nordlichter sichtbar sein, es lohnt also ein Blick zum Nachthimmel.
Die große und magnetisch komplexe Fleckengruppe, die den aktuellen Ausbruch produziert hat, ist weiterhin aktiv. Das SWPC schätzt die Wahrscheinlichkeit, dass Röntgenstrahlungsausbrüche der Klasse X stattfinden, für die folgenden drei Tage mit jeweils 40 Prozent ein, die der kleineren Klasse M gar mit 85 Prozent. Da die Fleckengruppe derzeit in der Nähe des Zentralmeridian liegt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Plasmawolken eventueller weiterer Ausbrüche die Erde treffen und weitere Stürme hervorrufen. (uma)