Verbraucherschützer: Kopierende Konsumenten sind keine Verbrecher

Die europäischen Verbraucherschutzzentralen haben eine Online-Kampagne gestartet, mit der sie über digitale Rechte aufklären sowie den Kriminalisierungsansatz der Entertainment-Industrie und DRM-Restriktionen verurteilen.

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Der Dachverband der europäischen Verbraucherschutzzentralen BEUC hat am heutigen Donnerstag in Brüssel die Online-Kampagne Consumers Digital Rights gestartet. Mit der Initiative will der Verband die Nutzer über ihre im digitalen Raum erhalten bleibenden Rechte zum privaten Kopieren aufklären und anders gearteten "Desinformationsversuchen" der Unterhaltungsindustrie entgegenwirken. Die Verbraucherschützer machen damit gegen eine pauschale Gleichsetzung der Nutzung von Online-Tauschbörsen mit Ladendiebstahl genauso mobil wie gegen den verstärkten Einsatz von Systemen zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) und dem damit einhergehenden Aufbau von Kopierblockaden. "Es ist an der Zeit, den Verbrauchern gewisse Grundrechte in der digitalen Welt zu sichern und ihnen zu sagen, was sie mit ihren digitalen Inhalten und ihrer Hardware tatsächlich machen können", lautet die zentrale Botschaft der Kampagne.

Die Website richtet sich zum einen an Einsteiger in die rechtliche Materie, denen zunächst ein umfangreiches Glossar zu Begriffen wie Copyright, DRM, Downloading oder Public Domain sowie einführende Artikel von BEUC-Mitgliederorganisationen zur Verfügung stehen. Die Lobbygruppe möchte aber auch Politiker beeinflussen und hat dazu ihre wichtigsten Stellungnahmen zum Umgang mit dem geistigen Eigentum und aktuellen Gesetzgebungsverfahren auf der Site gebündelt. Dazu kommen Interviews mit Künstlern, Verbrauchern und Aktivisten. Cory Doctorow, SciFi-Autor und Vertreter der Electronic Fontier Foundation (EFF) in Europa, erklärt dort etwa, dass er mit dem Einverständnis seines Verlegers seine Werke online frei zur Verfügung stellt. Das größte Risiko für einen Kreativen sei nämlich nicht, "raubkopiert" zu werden, sondern aus der Wahrnehmung der Öffentlichkeit herauszufallen.

Die Site der Verbraucherorganisation gipfelt in einer Erklärung der digitalen Nutzerrechte, zu denen die Verbraucherschützer etwa die Rechte auf Auswahl, Wissen, kulturelle Vielfalt, technologische Neutralität, Interoperabilität und den Schutz der Privatsphäre zählen. Sie deklarieren ferner ein Recht, von technologischen Innovationen ohne Gängelungen profitieren zu dürfen und nicht kriminalisiert zu werden. Auf Basis dieser sechs Ansprüche müsse eine Balance zwischen den exklusiven Verwertungsrechten der Industrie und den Zugangs- und Verdienstmöglichkeiten der Öffentlichkeit und der Urheber gefunden werden. Zudem sollten die bestehenden Rahmenwerke der EU zum Schutz geistigen Eigentums entlang der Grundsätze überprüft werden.

Eigene Tests zur Einhaltung der Verbraucherrechte im Entertainment-Sektor haben die Macher der Site bereits angestellt. So haben sie etwa im Sommer eine Reihe wichtiger europäischer Online-Musikgeschäfte auf Interoperabilität hin untersucht. Das Ergebnis ist ernüchternd: In den meisten Fällen war es nicht möglich, einen Song herunterzuladen und auf einem Abspielgerät zu hören, das für einen anderen Dienst angelegt ist. In einer zweiten Analyse hatten Plattformen etwa von Sony, iTunes, MSN oder Musicload ihre musikalische Vielseitigkeit unter Beweis zu stellen. Viele der vorher festgelegten, eine große Bandbreite musikalischen Schaffens abdeckenden Alben fanden sich aber nicht in den Online-Stores.

In Deutschland ist im März mit dem iRights-Portal eine ähnliche Verbraucherseite wie die Site Consumers Digital Rights an den Start gegangen . Die Filmindustrie setzt ihren Abschreckungsfeldzug dagegen weiter mit ihrer umstrittenen Kampagne "Raubkopierer sind Verbrecher" fort. (Stefan Krempl) / (jk)