Sony BMG: Kopierschutzpläne für Deutschland

Sony BMG wird unter Umständen den dubiosen XCP-Kopierschutz auch in Deutschland einsetzen – angeblich, um den Anwendern Kopien zu ermöglichen. Die Entrüstung der Konsumenten nimmt nicht ab, erste Trojaner auf Basis von Sony BMGs DRM wurden gesichtet.

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Sony BMG plant, den dubiosen XCP-Kopierschutz ab 2006 in Europa – auch in Deutschland – einzusetzen, berichtet dpa. Der Kopierschutz versteckt sich und sämtliche Dateien, Verzeichnisse, Registry-Schlüssel und Prozesse, deren Name mit $sys$ beginnt, in Rootkit-Manier vor dem Anwender.

Gegenüber heise online äußerte Katja Neese von Sony BMG allerdings, dass überhaupt noch nicht klar sei, welcher Kopierschutz in Deutschland zum Einsatz kommen soll. Sony BMG wolle in der Tat den Spagat zwischen nicht existierendem "Recht auf Privatkopie" und dem Schutz des geistigen Eigentums wagen, indem durch den einzuführenden Kopierschutz eine begrenzte Anzahl privater Kopien zugelassen werde.

Die Antivirenexperten von Bitdefender haben derweil den ersten Trojaner gesichtet, der die Rootkit-Technologie des Digital-Rights-Management-Systems nutzt, um sich zu verbergen. Der Schädling Backdoor.IRC.Snyd.A öffnet nach der Systeminfektion eine Hintertür ins IRC und versucht, die Firewall zu deaktivieren. Sowohl Bitdefender als auch diverse andere Antivirenprodukte wurden von ihren Herstellern um eine heuristische Erkennung ergänzt, die derartige Schädlinge erkennen soll.

Bei Microsoft ist man US-Medien zufolge noch beim Analysieren und Bewerten der Situation. Die Redmonder haben mit Windows Defender eine Anti-Spyware-Lösung im Programm, die auch Rootkits beseitigen soll. Der Betriebssystem-Riese ist zumindest besorgt über den Kopierschutz-Zusatz und möchte Anwender vor Gefahren schützen, die dadurch auftreten könnten.

Kalifornische Verbraucherschützer haben unterdessen eine Sammelklage gegen Sony BMG eingereicht. Laut Washington Post wird erwartet, dass in New York in Kürze ähnliches passiert. Erklärtes Ziel der Klagen ist es, Sony BMG den Verkauf der XCP-geschützten CDs zu untersagen. Das Unternehmen scheint gegen drei kalifornische Gesetze zu verstoßen. So soll der Consumer Legal Remedies Act verletzt werden, in dem es um unfairen oder betrügerischen Handel geht. Auch Verstöße gegen den Consumer Protection against Computer Spyware Act, der Software verbietet, welche die Kontrolle über den Rechner übernimmt oder es dem Benutzer nicht erlaubt, sie zu deinstallieren, könnten vorliegen. Zu guter letzt sehen die Rechtsgelehrten einen Verstoß gegen das California Unfair Competition-Gesetz, das ähnlich dem deutschen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb der Staatsanwaltschaft und Bürgern erlaubt, sich gegen unfaire Geschäftspraktiken zur Wehr zu setzen.

Die Electronic Frontier Foundation (EFF) sichtet derzeit ebenfalls, ob genügend EFF-Mitglieder und andere Anwender betroffen sind, um eine Klage gegen Sony BMG einzureichen. Die Untergruppe Electronic Frontiers Italy hat laut der BBC schon einnmal die italienische Regierung darum gebeten, Ermittlungen gegen Sony BMGs Einsatz von Anti-Piraterie-Software aufzunehmen.

Auch Mark Russinovich, der als Erster mit seiner Entdeckung der Rootkit-Funktion von XCP an die Öffentlichkeit ging, meldet sich wieder zu Wort. Er kritisiert dieses Mal, dass Sony BMG offenbar gar nicht vor hat, das Rootkit zu deinstallieren. Die Anwender sollten möglichst nur das Update einspielen, das dem Kopierschutz die Fähigkeit zum Verstecken von Dateien, Ordnern, Prozessen und Registry-Schlüsseln nimmt. Russinovich fragt zu Recht, warum Sony nicht einfach und gut sichtbar einen Uninstaller zur Verfügung stellt.

Die Luft brennt also noch immer in Sachen Sony BMGs Kopierschutz-Rootkit. Es bleibt spannend, wie das Musiklabel die Situation endgültig entschärfen will.

Siehe dazu auch: (dmk)