Unlike Us: Es gibt Alternativen

Drei Tage lang beschäftigten sich Künstler, Soziologen und Programmierer auf der 2. Unlike-Us-Konferenz mit Alternativen zu Facebook, Twitter & Co.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Detlef Borchers
  • Dr. Oliver Diedrich

Drei Tage lang beschäftigten sich Künstler, Soziologen und Programmierer auf der 2. Unlike Us-Konferenz mit Alternativen zu Facebook, Twitter & Co. Der Versuch, neben der Theorie und Praxis sozialer Netzwerke auch künstlerische Reaktionen mit einzubeziehen, erwies sich als ausbaufähiger Ansatz.

Unlike Us ist eine Serie von Veranstaltungen, die sich aus einer Mailingliste entwickelten, die der niederländische Netztheoretiker GeertLovink ins Leben gerufen hat. Unlike Us beschäftigt sich mit den Folgen, die mit der kommerziellen Ausbeutung von sozialen Netzwerken einhergehen, wenn eine Gesellschaft vom "Frientertainment" nach und nach im "Teleboredom" versinkt. Anders als akademische Übungen wie etwa First Monday verharrt Unlike Us nicht in der Theorie, sondern sucht den Brückenschlag zu Künstlern und zu Programmierprojekten, die einen Ausweg aus der Facebook-Misere suchen.

In dieser Hinsicht gehörte der Auftritt von Walter Langelaar von der Künstlergruppe Moddr zu den aufschlussreichsten Beiträgen der kleinen Konferenz. Langelaar schilderte, wie das Kunstprojekt einer
Web 2.0 Suicide Machine aus einer Schnapsidee während einer Silvesterparty entstand und rasch so ernst genommen wurde, dass Bestattungsinstitute die Software kaufen wollten, um einen neuen Service für die Kunden anzubieten. Den Höhepunkt bildete eine Sendung im deutschen Fernsehen, in der ein bekannter Moderator das Kunstprojekt für bare Münze nahm. Mit weiteren Projekten wie BinLover oder Give me my Data versuchen die Künstler, die Abhängigkeit von Diensten wie Facebook zur Sprache zu bringen.

Die Differenz zwischen der Web 2.0 Suicide Machine heute und dem Abschalten von Konten im alten Cyberspace vor dem Siegeszug von WWW und Web 2.0 illustriert das Anliegen von UnlikeUs. Was damals noch in kleinen Gemeinschaften (Communities) geschah, passiert heute in sozialen Netzwerken, die von der Simulation der Gemeinschaft leben. Alternativen zu Facebook und Twitter sollen den Trend umdrehen und wurden einen Tag lang im Keller des Veranstaltungsgebäudes an kleinen Tischen präsentiert. Als Alternative zu Twitter stellte sich beispielsweise Thimbl vor, das mit dem Finger-Protokoll eines der ältesten Netz-Programme benutzt. Auf der Basis des an der TU Delft entwickelten Peer-to-Peer-Protokolls Tribler will
TheGlobalSquare zur Berliner Biennale starten. Auch die bereits von heise online vorgestellte Freedombox fand Anklang unter den Ausstellungsbesuchern, die von Tisch zu Tisch schlenderten.

Aus Deutschland stellten sich der Social Swarm vor, eine Initiative des Bielefelder FoeBuD, die aus der Kritik an Facebook zum Big Brother Award2010/11 entstanden ist. Mit dem in Berlin entwickelten Ansatz von
Secushare stellte sich ein interessanter Ansatz zur verschlüsselten Kommunikation vor, bei dem der soziale Graph eines Teilnehmers herangezogen wird, um Daten abseits der überwachenden Server zu verteilen. Dass Alternativen zu Facebook wachsen können, hat Lorea gezeigt, ein spanisches soziales Netzwerk, das im Zuge der Studentenproteste "Democracia Real Ya!" entstand, als die Organisation des Protestes über Facebook von Admins behindert wurde. Für Proteste in Staaten entwickelt, in denen Online-Aktivisten per se mit einer Überwachung der Netzkommunikation rechnen müssen, stellte sich Crabgrass vor, eine Sammlung von Tools für sichere Mailinglisten und Wikis. Schließlich sei Briar erwähnt, ein noch im Betastadium steckendes Nachrichtensystem für sichere Kommunikation in Überwachungsstaaten.

Ob und wie sich diese als Open Source Software entwickelten Ansätze halten können und ihre Stärke und Sicherheit unter Beweis stellen können, wird die Zukunft zeigen müssen. Unlike Us als Konferenz, die Netzkritiker und -Aktivisten unter einem Dach versammeln konnte, hat trotz kleinerer Organisationspannen eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass das Soziale nicht im kommerziellen Einerlei der sozialen Netzwerke zum Absterben verurteilt ist. (odi)