Tiroler Wasserkraft reicht Schweigeklage gegen Online-Kritiker ein

Der Tiroler Energieversorger TIWAG versucht, die Löschung einer kritischen Website zu erreichen, die unter anderem über auch in Deutschland umstrittene Cross-Border-Leasing-Verträge öffentlicher Einrichtungen berichtet.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 146 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Der Tiroler Energieversorger TIWAG - Tiroler Wasserkraft AG versucht, die Löschung einer kritischen Website zu erreichen. Das im Eigentum des Landes Tirol stehende Unternehmen hat den Streitwert einer Unterlassungsklage laut futureZone mit 500.000 Euro festgesetzt. Damit soll der Tiroler Aktivist Markus Wilhelm zum Schweigen gebracht werden. Gerichts- und Anwaltskosten sind vom Streitwert einer Klage abhängig. Die von der TIWAG erwirkte Sperre der Domain dietiwag.at hatte nicht zum gewünschten Erfolg geführt, weil die Website unter dietiwag.org wieder online gegangen ist.

Wilhelm hatte zunächst unter der Adresse www.dietiwag.at die Strategie des Unternehmens kritisiert und unter anderem eine Liste mit rund 20 vorwiegend amerikanischen Firmen und Banken veröffentlicht, mit denen die TIWAG Leasingscheingeschäfte betreiben soll. Die für .at-Domains zuständige Registrierungsstelle nic.at sperrte die Domain nach Aufforderung durch die TIWAG am 10. März, woraufhin Wilhelm seine nicht immer ganz politisch korrekt formulierte Website auf dietiwag.org umgesiedelt und einem deutschen Provider anvertraut hat. Nic.at begründete die Sperre der Domain gegenüber heise online mit einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH) im Fall fpo.at. Demnach müsse der Registrar Maßnahmen ergreifen, wenn er auf eine Domain hingewiesen wird, bei der auch für juristische Laien ohne weitere Nachforschung erkennbar sei, dass eine Rechtsverletzung vorliege. Dabei, erklärte nic.at, sei nicht nur der Domainname an sich, sondern dieser auch in Zusammenhang mit dem Inhalt einer etwaig darunter abrufbaren Website zu beurteilen. Auf .org-Domains hat die Rechtsprechung des OGH jedoch keinen Einfluss.

Im Zentrum des Streits steht die Veröffentlichung von Informationen über Cross-Border-Leasing-Verträge der TIWAG. Das Unternehmen möchte diese Verträge geheim halten. Wilhelm wirft den verantwortlichen Politikern unter anderem vor, Verträge ohne genaue Kenntnis der Inhalte unterzeichnet zu haben und so gegen die Interessen des Landes und der TIWAG gehandelt zu haben. Mit einigen Kraftwerken seien zudem heikle Wasserrechte veräußert werden. Ein heise online zugesagte Stellungnahme der TIWAG zu den Vorfällen ist bislang nicht erfolgt.

Sowohl in Österreich als auch in Deutschland sind mehrere derartige Geschäfte von Unternehmen der öffentlichen Hand in die Kritik geraten. Dabei wurden meist Betriebsanlagen wie Kraftwerke, Fahrzeuge, Flugsicherungsanlagen oder Kanalsysteme an US-Unternehmen übertragen und für lange Zeit (14 bis 100 Jahre) zurückgemietet. Durch Lücken in den Steuergesetzen einiger US-Staaten ergab dies bis vor kurzem für das US-Unternehmen eine Steuerersparnis von etwa 30 Prozent des Transaktionsvolumens. Einen Teil davon erhalten die nunmehrigen "Mieter" als "Barwertvorteil". Einen ähnlichen Anteil kassieren die beteiligten Banken und Vermittler als Gebühren und Provisionen. Tatsächliche Wertschöpfung findet dabei nicht statt, der "Erlös" entsteht zu Lasten von US- Steuerkassen. Gesetzgeber und Behörden der USA haben allerdings reagiert: Die Cross-Border-Leasing-Geschäfte sind rückwirkend zum März 2004 verboten. Die Steuerbehörden stufen sie als missbräuchliche Steuervermeidungstransaktionen (abusive tax shelter transactions) ein, was zum Verlust des Steuervorteils für das US-Unternehmen führt. Für die "Mieter", die sich in der Regel US-Recht und -Gerichtsbarkeit unterworfen haben, ergibt sich zwar kein unmittelbarer Nachteil, aber die Gefahr langwieriger juristischer Auseinandersetzungen und Schadenersatzforderungen. Denn die "Investoren" haben nun ihrerseits wenig Freude an den Kapital- und Verwaltungskosten. (Daniel AJ Sokolov) / (jk)