SAP-Vorstand wettert gegen Open Source

Freie Software bringe keine Innovationen hervor, könne Applikationen kaputt machen und gefährde die auf geistiges Eigentum aufbauende Gesellschaft, glaubt Shai Agassi, der bei den Walldorfern die Produktentwicklung leitet.

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Bei SAP gibt es führende Stimmen, die eine auf Open Source setzende Software-Industrie äußerst kritisch sehen. Dem teilweise spürbaren Hype rund um die offene gemeinschaftliche Entwicklung von Quellcode wollte sich Shai Agassi, der bei den Walldorfern den Bereich Technologie und Produktentwicklung leitet und im SAP-Vorstand sitzt, bei einer Gesprächsrunde im Churchill Club im Silicon Valley Mitte der Woche jedenfalls keineswegs anschließen: "Wir reden ständig darüber, wie großartig Linux ist", sagte der 37-jährige Manager laut US-Berichten. Aber wenn man sich den Wettbewerb bei den innovativsten Desktop-Betriebssysteme anschaue, dann sei Microsoft mit seinem geplanten Vista gerade dabei, Apple zu kopieren, nicht jedoch Linux. Open Source sei nicht nur wenig innovativ, sondern könne die Entwicklung anderer Applikationen gar unterlaufen.

Wie Microsoft und manch anderer große Vertreter der traditionellen Softwarewirtschaft stößt sich Agassi vor allem an den Lizenzmodellen für freie Software, die mehr oder weniger ausgeprägt die freie Weitergabe von Open-Source-Entwicklungen verlangen und so die Verwertungsrechte auf den Kopf stellen. Ein "Sozialismus" rund ums geistige Eigentum sei aber das Schlimmste, was einer auf den Schutz kreativer Leistungen setzende Gesellschaft widerfahren könne, betonte Agassi, der bereits als möglicher Nachfolger des SAP-Vorstandsvorsitzenden Henning Kagermann gehandelt wird. "Und wir sind nun einmal eine auf geistiges Eigentum aufbauende Gesellschaft", führte er aus. Für Agassi ist Open Source gerade mal gut fürs "Debugging". Ansonsten sei es wichtig, nicht zu sehr mit dem Code hochwertiger Softwareprogramme herumzuspielen. Freie Software sei auf der Stufe der Entwicklung früher Unternehmens-Applikationen stehen geblieben, bei denen die Anwenderfirmen noch eigenhändig immer wieder Anpassungen vorgenommen hätten.

Linux-Unterstützer sind von der Art des von dem Walldorfer skizzierten Bedrohungsszenarios überrascht. "SAP disqualifiziert sich damit selbst", kommentiert Joachim Jakobs, Sprecher der Free Software Foundation Europe (FSFE), die Angriffe Agassis. Dahinter stecke wohl die "nervöse" Erkenntnis, "dass da jemand an unseren Markt heran will". SAP möge am besten selbst darlegen, wie hoch der Anteil freier Software etwa im Bereich Middleware oder Webserver im eigenen Hause sei und wieso man solche Applikationen verwende, "wenn sie doch Mist sein sollen". Die kooperative Entwicklung freier Software an sich sei ein übers Internet ermöglichtes Innovationsmodell. Einen Hinweis darauf, welche Wertschätzung die Welt des offenen Quellcodes inzwischen genießt, stellt für Jakobs ferner die Tatsache dar, dass allein die FSFE bereits von 425 so genannten Fellows unterstützt wird, die jährliche Beitragssätze zwischen 60 und 120 Euro zahlen.

SAP gilt prinzipiell als Verfechter offener Standards und betreibt ein "LinuxLab" mit Partnern wie IBM, Intel, Novell, Red Hat oder Sun Microsystems. Die Begeisterung für Open Source hält sich bei den Walldorfern aber anscheinend in immer engeren Grenzen. SAP engagierte sich im Streit um eine EU-Softwarepatentrichtlinie etwa massiv im Rahmen der umstrittenen "Campaign for Creativity" für einen umfassenderen Schutz geistigen Eigentums und die Stärkung von Monopolrechten in Europa. Die Walldorfer gehören ferner zu den Gründungsmitgliedern der neuen European Software Alliance, die sich auf bislang noch nicht näher erläuterte Weise unter anderem mit dem Thema Open Source auseinandersetzen will. (Stefan Krempl) / (jk)