RoboCup-WM: Wer sprintet am schnellsten die zwei Millimeter?

Von der 3D-Simulationsliga bis zu 300 Mikrometer großen Robotern bei den "Nanogram-Demonstrationen" - neben den klassischen Roboter-Wettbewerben gibt es einige RoboCup-Ligen mit ungewöhnlichen Teilnehmern.

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Von
  • Hans-Arthur Marsiske

Die Spieler der 3-D-Simulation haben jetzt einen Körper mit Armen und Beinen, können aber nicht mehr so gut kicken.

Wer den Weg in das außerhalb des GeorgiaTech-Campus gelegene Technology Square Research Building schafft, wird mit einer gelösten Atmosphäre belohnt, die an die Anfangszeit des RoboCup erinnert. Bei der 11. RoboCup-Weltmeisterschaft, die vom 1. bis 8. Juli (gefolgt von einem zweitägigen Symposium) in Atlanta stattfindet, empfängt fröhliches Gelächter den Besucher, der den Raum der 3-D-Simulationsliga betritt. Ein Blick auf die Leinwand verrät rasch den Grund der Heiterkeit: Da purzeln die virtuellen Spieler beim Versuch, den Ball zu erreichen, munter übereinander, schleudern beim Aufstehen dem Gegner die Beine ins Gesicht, treffen aber so gut wie nie den Ball.

Bei der Physical Visualization spielen reale Roboter mit realen Bällen ...

"Wir wussten, dass es schwierig werden würde", sagt Oliver Obst, derzeit an der australischen University of Newcastle, der den Simulator mit entwickelt hat. "Aber wir wollten endlich richtige Roboter mit Armen und Beinen simulieren." Bisher war die 3-D-Simulation eine Art autonomes Billard gewesen, bei dem sowohl die Spieler als auch der Ball kugelförmig waren. Die höhere Komplexität stellt allerdings Anforderungen an Hardware und Software, die die derzeit verfügbare Technik, insbesondere die Grafikkarten, überfordert. "Das ursprünglich geplante Spiel drei gegen drei war nicht machbar", sagt Jan Murray von der Universität Koblenz, der den Wettbewerb leitet. "Wir haben die Zahl der Spieler daher auf zwei pro Team reduziert." Außerdem wird nur eine Halbzeit von acht Minuten gespielt. Ansonsten könnte es zu häufig passieren, dass das Spiel gerade in dem Moment abgepfiffen wird, wenn ein Spieler endlich zum Schuss ansetzt.

Eine Publikumsattraktion wird die 3D-Simulationsliga so in diesem Jahr wohl nicht werden. Aber es gehört zum RoboCup, die Spielbedingungen immer wieder zu verschärfen. Anders wäre das Ziel, bis zum Jahr 2050 mit humanoiden Robotern den menschlichen Fußballweltmeister zu schlagen, auch nicht zu erreichen. Außerdem zeigt die Erfahrung, dass der Verlust an Spieldynamik nur vorübergehend sein wird. Bereits im nächsten Jahr dürften die simulierten Humanoiden erheblich attraktivere Spiele bieten. Manche Bewegungen, etwa beim Aufstehen oder beim Gehen, erinnern schon jetzt deutlich an die realen Vorbilder.

...mit virtuellen Bällen...

Ein paar Räume weiter im gleichen Gebäude wird auf andere Weise das Zusammenwachsen von Realität und Simulation erprobt. Bei der "Physical Visualization Sub League" agieren reale, wenige Zentimeter große Roboter auf einem virtuellen Spielfeld. Die Konstellation ähnelt der Small Size League: Eine Kamera beobachtet das Spielfeld von oben und identifiziert die verschiedenen Roboter anhand grafischer Symbole. Nur ist das Spielfeld auf einen Flachbildschirm projiziert. Auf diese Weise ist etwa das Spiel mit einem virtuellen Ball möglich. "Die Roboter lassen sich dann auch mit einem virtuellen Kickmechanismus ausstatten", erläutert Rodrigo da Silva Guerva von der University of Osaka, der diesen Wettbewerb leitet.

"Es geht dabei zunächst einmal um Ideen, diese Technologie zu nutzen", sagt Reinhard Gerndt, Professor für Informatik an der Fachhochschule Wolfenbüttel, dessen Team als einziges aus Deutschland in dieser Liga teilnimmt. Denkbare Anwendungen, meint Gerndt, gingen in Richtung Augmented Reality. Sein Team hat ein Labyrinthspiel entwickelt, ein kanadisches Team den Computerspielklassiker Pac Man so verändert, dass nun ein Roboter die Rolle des Pac Man übernimmt. Eine Idee ist es auch, die gesamte Installation so billig zu machen, dass sie für Schulen interessant wird. Es könnte das "Tipp-Kick des 21. Jahrhunderts" werden, so ein Teilnehmer.

Noch ein paar Räume weiter sind die Roboter so klein, dass sie nur noch unter dem Mikroskop zu erkennen sind. Auch diese Nanogram-Demonstrationen erinnern an frühere RoboCup-Jahre, als etwa die humanoiden Roboter noch einfache Aufgaben wie schnelles Laufen oder Laufen um ein Hindernis herum lösen mussten. Nun sind es 300 Mikrometer große Roboter, die möglichst schnell über zwei Millimeter sprinten, einen Hindernisparcours überwinden und innerhalb von drei Minuten möglichst viele Bälle in ein Tor befördern sollen.

... oder sie helfen Pac Man bei der Nahrungssuche.

"In den nächsten Jahren sollen die Roboter in der Lage sein, richtig Fußball zu spielen", sagt Bradley E. Kratochvil vom Projekt an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Anwendungen der Technik sieht er unter anderem im medizinischen Bereich, etwa bei der gezielten Manipulation einzelner biologischer Zellen oder Operationen im Auge. Derzeit ist die Navigation der Roboter, die ihre Energie über elektromagnetische Felder beziehen, allerdings nur zweidimensional möglich. "Die dreidimensionale Kontrolle wird einer der nächsten Schritte sein", so Kratochvil.

Die Winzigkeit der Roboter ist für diese Liga durchaus ein Problem. Man muss den Veranstaltern einfach glauben, dass all diese Aktionen der Roboter wirklich passieren. Schließlich sind sie nur auf dem Bildschirm zu sehen. Und Jan Murray, der nebenan den virtuellen Robotern den aufrechten Gang beizubringen versucht, ist überzeugt: "In ein paar Jahren können wir das so gut simulieren, dass niemand mehr den Unterschied erkennt."

Zur RoboCup-WM 2007 siehe auch:

Zur RoboCup German Open 2007 siehe auch:

Siehe zu dem Thema Robotik auch das c't-Roboterprojekt:

Zu den Roboterfußball-Wettbewerben und der Robotik-Forschung siehe auch:

RoboCup-WM 2006:

RoboCup-WM 2005:

RoboCup-WM 2004:

(Hans-Arthur Marsiske) / (jk)