COS, Ingram, HP und die Sache mit den „Neu-Erfindungen"

Ingram-Micro-Geschäftsführer Schulz will die Broadline-Distribution neu definieren, und HP erfindet sich getreu dem Firmenmotto („HP Invent“) mal wieder selbst neu. Und dann war da noch COS-Chefin Mascha Speier, die im vergangenen Jahr gleich die gesamte Distribution neu erfinden wollte. Haben Sie mal wieder was davon gehört?

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Von
  • Damian Sicking

Liebe COS-Chefin Mascha Speier,

COS-Chefin Mascha Speier

(Bild: COS)

Ihr Kollege Gerhard Schulz von Ingram Micro sagte neulich, dass er "den Begriff des Broadliners neu definieren“ wolle. Wow, dachte ich, da bin ich aber mal gespannt, was am Ende dabei herauskommt. Bei dieser Gelegenheit fiel mir ein, dass Sie im vergangenen Jahr etwas Ähnliches versprochen hatten. "Unser Ziel ist es", sagten Sie im Juni 2011, "die IT-Distribution neu zu erfinden." Da ich seitdem in dieser Sache von Ihnen nichts mehr gehört habe, wollte ich mal nachfragen, wie weit Ihr Projekt der Neuerfindung der IT-Distribution bislang gediehen ist und welche Fortschritte es zu vermelden gibt. Interessiert bestimmt auch andere.

Apropos "erfinden“: Es gibt ja Firmen, bei denen ist das "Erfinden“ im wahrsten Sinne des Wortes Bestandteil der Firmierung. HP zum Beispiel. HP heißt ja mit vollem Namen "HP Invent“, was wortwörtlich schwierig ins Deutsche zu übersetzen ist. "To invent“ heißt aber "erfinden“ oder auch "sich ausdenken“. Ja, und getreu diesem Firmenmotto haben sich die Amerikaner jetzt wieder etwas Schönes ausgedacht, nämlich die Drucker- und die PC-Sparte zusammenzulegen und zu vereinen. Ich möchte an dieser Stelle nicht die möglichen Vor- und Nachteile diskutieren. Ich möchte stattdessen einfach mal aus einer E-Mail zitieren, die mir in der vergangenen Woche ein Manager eines Druckerherstellers zusandte und in der er sich zu dieser "Fusion“ der HP-Einheiten äußerte. Er schrieb (ich zitiere wörtlich):

"Ich denke, gerade HP wäre gut beraten, einmal eine Weile die Füße/Organisation still zu halten. In den vergangenen (na, ich denke sicherlich) zehn Jahren gab es dort so viel Um-, Re- und Neustrukturierung, dass dabei nicht nur Kunden, sondern auch reichlich Mitarbeiter auf der Strecke blieben. Ich hatte zwischenzeitlich das Gefühl, dass selbst alt- und ältestgediente Recken den Überblick verloren hatten und innerlich emigriert waren. Ruhe, Beständigkeit, Berechenbarkeit – das sollte bei HP nach all dem Affentheater der letzten Jahre endlich wieder Priorität bekommen.“

Soweit die E-Mail. Sie, liebe Frau Speier, sind ja auch HP-Vertriebspartner, und daher werden auch Sie die Dinge dort mit Interesse und Aufmerksamkeit verfolgen, nehme ich an. Wenn Sie mich fragen, wĂĽrde ich HP empfehlen, die Energie weniger darauf zu richten, sich immer wieder neu selbst zu erfinden, sondern eher darauf, neue tolle Produkte und Dienstleistungen zu erfinden. Denn dann hat man eher Erfolg am Markt als mit immer neuen Umstrukturierungen.

Die ganze Sache mit dem "sich immer neu erfinden müssen“ ist doch sowieso von gestern. Es gab ja mal eine Zeit, da predigten Bestsellerautoren wie der amerikanische Schwerverdiener Gary Hamel („Das revolutionäre Unternehmen“), dass sich Firmen permanent neu erfinden müssten, am besten jeden Tag. Gott sei Dank ist diese Zeit seit ungefähr zehn Jahren vorbei, denn wenn man sich daran halten würde, würde man ja total kirre werden und die Firmen würden nichts Gescheites mehr zustande bringen. Nur eine Firma hat offenbar noch nicht mitbekommen, dass es heute einfach nicht mehr angesagt ist, sich permanent zu verändern und neu zu erfinden: HP.

Aber zurück zu Ihnen, liebe Frau Speier. Wie sieht es denn jetzt aus mit Ihrem Projekt der Neuerfindung der Distribution? Ich bin deshalb so hartnäckig, weil es eine großartige Sache ist und ja auch im allgemeinen Interesse liegt. Denn im Gegensatz zu HPs Selbstbeschäftigungstick geht es bei Ihrem anspruchsvollem Projekt nicht nur um das Unternehmen COS, sondern um viel mehr: nämlich um einen ganzen Branchenzweig und damit verbunden um die vielfältigen Auswirkungen auf Lieferanten- und Kundenbeziehungen („Supply Chain“). Ist das vielleicht der Grund, weshalb wir in der Sache noch nichts wieder von Ihnen gehört haben: Die Größe des Projekts?

Beste GrĂĽĂźe!

Damian Sicking

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