Schwimmende Windkraftanlagen als interessante Alternative

Weltweit arbeiten Wissenschaftler und Unternehmen fieberhaft an der Technik für schwimmende Windkraft- Anlagen. Denn die zu erwartende Windausbeute auf See zieht immer mehr Investoren an.

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Weltweit arbeiten Wissenschaftler und Unternehmen fieberhaft an der Technik für schwimmende Windkraft- Anlagen. Denn die zu erwartende Windausbeute auf See zieht immer mehr Investoren an. Das berichtet Technology Review in seiner aktuellen Ausgabe 4/2012.

Während fest installierte Offshore-Windparks auf wenige Standorte beschränkt sind, ist das Potenzial für schwimmende Anlagen weitaus größer. So haben Testreihen und Berechnungen des National Renewable Energy Laboratory (NREL) aus Colorado beispielsweise ergeben, dass allein das Offshore-Energiepotenzial der USA über 900 Gigawatt beträgt – und damit größer ist als die gesamte in dem Land installierte Kraftwerksleistung. 61 Prozent der Offshore-Windressourcen der USA liegen jedoch in mindestens 100 Meter tiefem Wasser.

In Europa rechnet Jochen Bard, Abteilungsleiter Meeresenergienutzung beim Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES), mit einem nutzbaren Potenzial, das im bis zu 200 Meter tiefen Wasser bis zu dreimal höher ist als in den Flachwasserzonen bis 50 Meter Tiefe. In Europa ist es vor allem der Meeresboden im Süden vor Spanien und Portugal, der weit über 100 Meter tief ist, ebenso wie Teile des Mittelmeers und vor der Küste Norwegens, wo Meerestiefen von bis zu 700 Meter erreicht werden. Pro Jahr ließen sich nach Bards Schätzungen Offshore rund 8000 Terawattstunden (TWh) Windenergie ernten - Schwimmplattformen sollen es ermöglichen, diese Ressourcen zu erschließen. Zum Vergleich: Der jährliche Stromverbrauch der gesamten EU betrug im Jahr 2010 grob geschätzt 3500 TWh.

Als Vorzeigeprojekt der schwimmenden Windkraft gilt Hywind. Die Testanlage in Originalgröße, entwickelt vom norwegischen Energiekonzern StatoilHydro, ist bereits seit September 2009 im Betrieb und hat spätestens während des Sturmtiefs Berit im Herbst 2011 bewiesen, dass sie auch Orkane überlebt. Zwölf Kilometer vor der Südwestküste Norwegens schwimmt die Maschine im Atlantik, der hier 200 Meter tief ist. Drei locker gespannte Trossen, die am Meeresboden befestigt sind, halten sie auf Position. Eine Boje, die mit 3000 Tonnen Wasser und Steinen gefüllt ist, hält den 65 Meter hohen Turm senkrecht. Oben thront ein 2,3 Megawatt starkes Windrad von Siemens. Während die Tests mit Hywind noch laufen, denken die Norweger daran, einen kleinen Testwindpark zu errichten. Geplant ist ein Offshore-Park im US-Bundesstaat Maine mit vier jeweils drei Megawatt starken Windrädern.

Auch in Asien wird an schwimmenden Windplattformen gearbeitet. Anfang März beispielsweise hat die japanische Regierung ein Konsortium beauftragt einen experimentellen schwimmenden Windpark vor Fukushima zu realisieren.

Eines der Hauptprobleme schwimmender Plattformen ist, die Windräder halbwegs stabil zu halten. Denn eine viele Hundert Tonnen schwere Windkraftanlage, bei der sich ein Rotor mit einem Durchmesser von 130 Metern dreht und gegen die gleichzeitig Wind und Wellen drücken, ist erheblichen mechanischen Belastungen ausgesetzt. Auf der Suche nach der idealen Lösung kristallisieren sich drei bislang Schwimmertypen heraus.

Das Spar-Buoy-Konzept sieht einen großen, hohlen Stahlzylinder vor, der gleichsam als Schwimmer und als Turm dient. Genau wie ein Eisberg nimmt er unter Wasser sehr viel mehr Raum ein als über Wasser. An seinem tiefsten Punkt ist er mit Ballast gefüllt, so wandert der Schwerpunkt weit nach unten. Daher liegen Spar-Buoys selbst bei starkem Wellengang stabil in der See.

Die Tension-Leg-Plattform, kurz TLP, eignet sich für Wassertiefen von 50 bis etwa 200 Meter. Gemeint ist ein meist zylindrischer Auftriebskörper, der von mindestens drei straff gespannten Ketten oder Seilen leicht unter Wasser gezogen und so immer auf gleicher Position gehalten wird.

Halbtaucher-Plattformen stellen den dritten Schwimmertyp dar. Diese Fundamentform wird bereits an einem Prototyp vor Portugal erforscht. Die Plattform besteht meist aus einem dreieckigen Stahlgerüst mit drei senkrecht stehenden Zylindern, an deren unteren Enden große Platten angeschweißt sind, die vertikale Bewegungen hemmen sollen. Die Halbtaucher-Plattform eignet sich ebenfalls für Tiefen bis 200 Meter.

Die Technik hat allerdings ihren Preis: Während große, auf dem Grund stehende Gründungen zwischen drei und fünf Millionen Euro kosten, dürften die schwimmenden Konstruktionen nochmals teurer werden. Fachleute rechnen mit sieben bis neun Millionen Euro pro Schwimmer. Doch konkrete Zahlen fehlen – bislang existieren nur sündhafte teure Prototypen, über deren Kosten die Eigentümer schweigen.

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(wst)