Jugendschutz im Netz: Selbstverpflichtung soll US-Gesetzeswelle verhindern

Mit einer Welle weitreichender Gesetze zum Kinder- und Jugendschutz, die derzeit vom US-Gesetzgeber diskutiert werden, gerate die Meinungsfreiheit im Internet unter Beschuss, meint die US-amerikanische Progress and Freedom Foundation.

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Von
  • Monika Ermert

Eine freiwillige Selbstverpflichtung (PDF-Datei) aller Online-Unternehmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen im Internet fordert Adam Thierer von der US-amerikanischen Progress and Freedom Foundation. Thierers Bericht nennt einen solchen "Code of Conduct" die einzige Möglichkeit, eine Welle weitreichender Gesetze abzuwenden, die derzeit vom US-Gesetzgeber zum Schutz von Kindern und Jugendlichen im Netz diskutiert werden. "Seit Verabschiedung des Communication Decency Act 1996 war die Meinungsfreiheit im Internet niemals mehr so unter Beschuss in Washington", schreibt Thierer.

Die Liste der vom 109. Kongress diskutierten Gesetze ist in der Tat lang und reicht von der in den USA bislang stets abgelehnten Vorratsdatenspeicherung bis zur obligatorischen Altersverifikation für jugendliche Internetnutzer, bevor sie sich ins Netz begeben. Es liegen auch Vorschläge auf dem Tisch für die Regulierung von Rating- und Labeling-Systemen zur Klassifizierung von Webseiten für Filtertechniken, die derzeit noch in Eigenregie von den Unternehmen betrieben werden. Ein Gesetzesvorschlag zielt auf das Verbot von Chat- und Social-Networking-Seiten im Internet in allen Schulen. Auf dem Tisch liegen schließlich auch Entwürfe, die Verpflichtungen zur Kennzeichnung von Angeboten "sexueller Natur" regeln sollen, sowie weitere Vorschriften für die Kennzeichnung und Ausfilterung potenziell schädlicher Inhalte.

Ende vergangener Woche legten mehrere Abgeordnete das jüngste Paket von Gesetzesentwürfen zum Schutz von Minderjährigen vor. "Sex-Chats" zwischen Erwachsenen und Minderjährigen würden damit kriminalisiert. Für Verdachtsfälle kann die Staatsanwaltschaft eine Telekommunikationsüberwachung anordnen. Schulen bekämen die Kompetenz, verbotene Internetaktivitäten wie Postings der Schüler auch dann zu bestrafen, wenn sie nicht während der Schulzeit entstehen. Das Strafmaß für Todesdrohungen im Netz soll von derzeit maximal drei auf bis zu fünf Jahren erhöht werden. Der bereits im März vorgeschlagene "Safer Internet Act", der noch im Senat beraten wird, könnte ein eigenes Büro für "Internet Safety" (PDF-Datei) bei der Federal Trade Commission installieren.

Der von Thierer vorgeschlagene Code soll dem Regulierungseifer entgegenwirken und die mit ihm verbundenen Gefahren für die Meinungsfreiheit im Netz vermeiden helfen. Zu vier Grundsätzen sollten sich die Unternehmen verpflichten:

  1. Wo immer möglich sollten Online-Inhalte gekennzeichnet oder bewertet werden (Rating, Labeling), möglichst unterstützt durch das Anbringen von Metatags zur späteren automatischen Ausfilterung.
  2. Die Unternehmen sollen Filter zur Verfügung stellen, mit denen Eltern die potenziell für ihre Kinder schädlichen Inhalte dann auch sperren können.
  3. Strafverfolger werden von den Unternehmen unterstützt, einerseits durch die Speicherung von Daten, die für Ermittlungen notwendig sind, andererseits durch Fortbildungsmöglichkeiten für Ermittlungsbeamte.
  4. Eltern erhalten ebenfalls umfangreiche Möglichkeiten, sich über Gefahren und Gegenmaßnahmen zu informieren.

Der Code of Conduct könnte, schreibt Thierer, einen gewissen Standard bei Rating- und Filteringmaßnahmen begünstigen. Allerdings soll er nicht als zentrales Filter-system gesehen werden, will er schon im Vorab Kritk begegnen, er treibe den Teufel mit Beelzebub aus. Das Ziel sei es letztlich, ein Maximum an Freiheit für Äußerungen im Netz zu sichern und gleichzeitig den Nutzern entsprechende Werkzeuge zu bieten, für sie nicht Akzeptables zu blocken.

In Deutschland gibt es bereits einige gesetzliche Regelungen, was den Jugendmedienschutz auch im Internet und bei digitalen Medien betrifft. Die aktuellen Bestimmungen zum Jugendmedienschutz  (JugendschutzgesetzJuSCHG, und Jugendmedienschutzstaatsvertrag,   JMStV) traten am 1. April 2003 in Kraft, nachdem der Amoklauf an einem Gymnasium in Erfurt 2002 für heftige Diskussionen über die Gefährdung von Jugendlichen und Kindern etwa durch Computerspiele und Internseiten gesorgt hatte.

Nach dem Jugendschutzgesetz müssen beispielsweise auch Computerspiele wie zuvor Kino- und Videofilme mit einer Altersfreigabe gekennzeichnet sein. Alle neuen Medien, auch Internetseiten, können zudem auf den Index gesetzt werden und damit Sperrungsverfügungen unterliegen. Erweitert und verschärft wurden außerdem die Verbote für schwer jugendgefährdende Medien. Der Jugendmedienschutzstaatsvertrag verpflichtet Anbieter von "Telemedien" unter anderem, Jugendschutzbeauftragte zu bestellen oder sich an eine Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle anzuschließen, die von der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) überwacht werden. Außerdem müssen sie lizenzierte Filterprogramme einzusetzen, um Kindern und Jugendlichen den Zugang zu pornografischen, aber auch allgemein "entwicklungsbeeinträchtigenden" Inhalten zu verwehren. (Monika Ermert) / (jk)