eVoting: "Allmählich wird es ernst"

Weltweit experimentieren immer mehr Länder mit der elektronischen Stimmabgabe.

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Von
  • Richard Sietmann

"Allmählich wird es ernst", erklärte Robert Krimmer vom Kompetenzzentrum für Elektronische Partizipation und Elektronische Wahlen (E-Voting.CC) heute zur Eröffnung eines dreitägigen internationalen Workshop on Electronic Voting. Auf dem Workshop ist ein kleiner Kreis von 85 Experten aus Wissenschaft, Industrie und Politik aus 25 Ländern und vier Kontinenten in Bregenz zusammengekommen, um sich über die Chancen und Risiken des eVoting – an Wahlcomputern – und iVoting – online über das Internet – auszutauschen.

Denn weltweit experimentieren immer mehr Länder mit der Ersetzung traditioneller Papierstimmzettel durch Wahlcomputer. In Asien propagieren Südkorea, Indien und Japan die Einführung der elektronischen Stimmabgabe. So hat sich die südkoreanische National Election Commission im vergangenen Jahr bereits auf eine Roadmap festgelegt, wonach bei den Präsidentschaftswahlen 2007 in allen Stimmbezirken Touchscreen-Geräte parallel zu den traditionellen Stimmzetteln zum Einsatz kommen sollen und spätestens ab 2012 die Voten dann auch über das Internet abgegeben werden können.

Einige Länder wie Holland und Brasilien setzen Wahlmaschinen bereits flächendeckend ein. Estland eröffnete bei den Kommunalwahlen im Oktober vergangenen Jahres erstmals die Möglichkeit der Stimmabgabe über das Internet, von der knapp zwei Prozent der 1,06 Millionen Wahlberechtigten Gebrauch machten; bei den nationalen Parlamentswahlen im kommenden Februar soll das System erneut zum Einsatz kommen. Nach der Auswertung von fünf Pilotversuchen in den Jahren 2004 und 2005 steht in der Schweiz nun voraussichtlich im Herbst die politische Entscheidung darüber an, dem Wähler die Stimmabgabe via Internet oder SMS als reguläre Alternative anzubieten.

"Mindestens zehn Länder im europäischen Raum erwägen derzeit ernsthaft die Einführung des eVoting", berichtete Michael Remmert, Projektleiter "Good Governance in the Information Society" beim Europarat in Straßburg. Vor knapp zwei Jahren, im September 2004, hatte der Europarat Empfehlungen zu eVoting-Standards verabschiedet, eine 112 Einzelpunkte umfassende Liste, die europaweit einer gewissen Vereinheitlichung von Minimalanforderungen dienen soll, "sodass sich die ICT-Industrie darauf einstellen kann".

Die elektronische Stimmerfassung soll "alle Prinzipien demokratischer Wahlen und Abstimmungen beachten", heißt es darin unter Bezugnahme auf die Grundsätze allgemeiner, freier, gleicher, unmittelbarer und geheimer Wahlen; des Weiteren soll eVoting "so zuverlässig und sicher sein wie demokratische Wahlen und Abstimmungen ohne elektronische Hilfsmittel". Als dritten Kernpunkt stellte Remmert die Empfehlung heraus, dass, solange die Zugänge zum Online-Voting nicht universell verfügbar seien, sie nur ergänzend zu den bisherigen Wahlformen der Präsenz- und Briefwahl eingesetzt werden dürften.

Darüber hinaus regelt der Katalog in teilweise detaillierter Form unter anderem Anforderungen an die Nutzeroberfläche, die vor irrtümlichen Eingaben schützen und alle Wahlvorschläge gleich behandeln soll; ferner darf keine mehrfache Stimmabgabe möglich sein, auch darf der Online-Wähler keine Quittung seines Votums erhalten, weil dies dem Prinzip der geheimen Wahl widerspräche und Möglichkeiten zu Stimmenkauf und Erpressung böte. Und Empfehlung Nummer 107 verlangt die Nachprüfbarkeit durch ein Audit-System, das in der Lage sein soll, "den korrekten Betrieb des eVoting-Systems und die Genauigkeit der Resultate zu verifizieren, Wahlbetrug aufzudecken, die Authentizität und Zählung aller abgegebenen Stimmen nachzuweisen".

Die Empfehlungen des Europarats stellen auf internationaler Ebene die erste zwischenstaatliche Übereinkunft zum eVoting dar; sie sind allerdings für die 46 Mitgliedsstaaten nicht verpflichtend. Der noch bis Freitag andauernde Workshop in Bregenz ist der erste Baustein zur Überprüfung und Überarbeitung der Standards; im November wollen die Regierungsvertreter in Straßburg über Änderungsvorschläge und Ergänzungen beraten; für 2008 ist dann ein Forum zur "Future of Democracy" geplant. (Richard Sietmann) / (jk)