RoboCup-WM: Wettbewerb ist nicht alles

Was für jeden Wettbewerb gilt, trifft auch auf den RoboCup zu: Wer daran teilnimmt, sollte verlieren können. Denn außer für die Top-Favoriten mit in der Regel langjähriger Erfahrung ist das für die meisten Teams der wahrscheinlichste Ausgang des Turniers.

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Von
  • Hans-Arthur Marsiske

Zack, der saß! Die Darmstadt Dribblers beginnen die Aufholjagd.

Was für jeden Wettbewerb gilt, trifft auch auf den RoboCup zu: Wer daran teilnimmt, sollte verlieren können. Denn außer für die Top-Favoriten, die in der Regel auf langjährige Erfahrung aufbauen können, ist das für die meisten Teams der wahrscheinlichste Ausgang des Turniers. Aber auch bei der 11. RoboCup-Weltmeisterschaft, die vom 1. bis 8. Juli (gefolgt von einem zweitägigen Symposium) in Atlanta stattfindet, ist das Verlieren insbesondere dann schwer zu akzeptieren, wenn er, wie in der Junior Dance Competition, von einer Jury-Entscheidung abhängt. So finden die Chaos Designer vom Friedrich-Grasow-Gymnasium in Brandenburg, die in der Vorrunde ausgeschieden sind, dass ihre technische Leistung bei ihrer Inszenierung einer Landung auf einem anderen Planeten zu wenig gewürdigt worden sei. Stattdessen hätten die Juroren ein größeres Gewicht auf die Ästhetik gelegt. Aber die spielt bei einer Bühnendarbietung nun einmal eine entscheidende Rolle. Und wie anders soll das entschieden werden als durch eine Jurybewertung, die unvermeidlich subjektiv geprägt ist?

Olé! Die Pioneros Mexico, selbst ausgeschieden, jubeln jetzt für Darmstadt.

Aber selbst in den Fußball-Ligen, wo vermeintlich klarere Verhältnisse herrschen, gewinnt nicht immer der eindeutig Bessere. So gibt es beim RoboCup Junior etliche Teams, die ihre Roboter einfach blind nach vorne fahren lassen und damit andere Teams an den Rand drängen, die ausgefeiltere Strategien programmiert haben. Letztere nehmen, durchaus zu Recht, für sich in Anspruch, eher der Idee des RoboCup zu entsprechen. Der Preis dafür kann aber der ausbleibende Turniererfolg sein, zumindest in diesem Jahr. Danach wird es Diskussionen über mögliche Regeländerungen geben, die die anspruchsvolleren Ansätze stärker belohnen. Wenn zum Beispiel das Spielfeld durch eine Aus-Linie statt durch eine Bande begrenzt würde, wäre für ein erfolgreiches Spiel eine bessere, vorsichtigere Ballkontrolle erforderlich. Brian Thomas aus Australien präsentierte entsprechende Ideen für eine Neugestaltung des Spielfeldes auf einer Vortragsveranstaltung.

Geschafft! Ein eleganter Schlenzer bringt die Darmstadt Dribblers in die Finalrunde.

In der Small Size League der RoboCup-Senioren sind es die Mitglieder des einzigen deutschen Teams B-Smart (Universität Bremen), die sich schon mal mental aufs Ausscheiden vorbereiten. Es dürfte für sie keine Überraschung sein. Schließlich wurde das Team komplett neu gebildet. Die Studenten hatten nur wenige Monate Zeit, sich in die Materie einzuarbeiten, und treffen hier in Atlanta erstmals auf Spitzenteams wie die CMDragons von der Carnegie Mellon University in Pittsburgh, die auf einen mittlerweile zehnjährigen Erfahrungsschatz zurückgreifen können und die Zuschauer mit eindrucksvollen Dribblings und präzisen Pässen beeindrucken. Der Kickmechanismus ihrer Roboter kann den Ball auf bis zu 15 Meter pro Sekunde beschleunigen, wurde für die Spiele aber auf 10 m/s reduziert. Gegen solche Gegner zu verlieren, ist keine Schande.

Begnadeter Motivator: Für Lars Asplund steht der Turniererfolg beim RoboCup nicht im Mittelpunkt.

Jemand, der schon seit mehreren Jahren konsequent nicht auf den Turniererfolg setzt, ist Lars Asplund, Professor für Informatik und Elektronik an der schwedischen Mälardalens Högskola. Er kommt jedes Mal mit einem neuen Middle-Size-Team zum RoboCup, das zumeist nur etwa ein halbes Jahr davor mit den Vorbereitungen begonnen hat. Das Ausscheiden in der Vorrunde ist damit praktisch vorprogrammiert, aber das kümmert Asplund wenig. "Ich möchte, dass meine Studenten etwas lernen", sagt er. "Sie sollen sich im Detail mit der Technologie vertraut machen und die Funktionsweise der Roboter und ihrer einzelnen Komponenten von Grund auf begreifen." Wie aber kompensiert er die Frustration, die das häufige Versagen der Roboter auf dem Spielfeld bewirken muss? So ganz genau scheint er das selbst nicht zu wissen. "Nachdem ich eine Stunde lang all die Probleme und Schwierigkeiten beim RoboCup geschildert hatte, sagten die Studenten: Okay, lasst uns das machen", erzählt er. Offenbar ist Asplund ein begnadeter Motivator und Lehrer. Teilnehmer wie er tragen dazu bei, dass der Wettbewerbsgedanke kein ungesundes Übergewicht beim RoboCup bekommt.

Für die Zuschauer aber steht natürlich der sportliche Aspekt im Vordergrund. Da sorgten gestern die Darmstadt Dribblers (TU Darmstadt) in der Humanoid League für eine gehörige Portion Dramatik, als sie im Vorrundenspiel gegen den Weltmeister Team Osaka ums Weiterkommen zittern mussten. Sie durften mit nicht mehr als fünf Toren Rückstand verlieren, sonst hätte es eine Strafstoßentscheidung gegen das Team Hajime gegeben. Angefeuert vom Team Pioneros Mexico, das selbst gegen Darmstadt verloren und ihren Gegnern danach kleine Sombreros für die Roboter geschenkt hatte, gelangen ihnen zwei schöne Treffer: ein gerader Kick von der Mittellinie und ein schräger Schlenzer dicht vorm gegnerischen Tor. Osaka brachte den Ball siebenmal über die Torlinie. Damit haben die Darmstadt Dribblers die Finalrunde erreicht.

Zur RoboCup-WM 2007 siehe auch:

Zur RoboCup German Open 2007 siehe auch:

Siehe zu dem Thema Robotik auch das c't-Roboterprojekt:

Zu den Roboterfußball-Wettbewerben und der Robotik-Forschung siehe auch:

RoboCup-WM 2006:

RoboCup-WM 2005:

RoboCup-WM 2004:

(Hans-Arthur Marsiske) / (jk)