Wikiversity: Schule auf Wiki-Basis

Wikipedia-Gründer Jimmy Wales kündigte nicht nur ein neues Projekt an, sondern plädierte auch für Änderungen: "Wir können uns nicht länger mit steigenden Artikelzahlen zufrieden geben." Die Qualität der Kernartikel müsse gesteigert werden.

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Von
  • Torsten Kleinz

Die freie Online-Enzyklopädie Wikipedia bekommt ein neues Schwester-Projekt: In Kürze startet die Wikiversity, ein freies Projekt zur Erstellung von Unterrichtsmaterialien, wie Jimmy Wales in Cambridge in Massachussets ankündigte. Auf dem Campus der Harvard Law School findet an diesem Wochenende die jährliche Wikipedia-Konferenz Wikimania statt, bei der Themen rund um die freie Online-Enzyklopädie und ihre Schwesterprojekte erläutert werden.

In seiner Eröffnungsrede stellte Wales als Vorsitzender der Wikimedia Foundation das neue Projekt kurz vor. Auf der neuen Plattform sollen Unterrichtsmaterialien aller Art gesammelt werden. Innerhalb der Wikiversity sollen auch Lerngruppen organisiert werden, die sich sich zusammen das dort eingestellte Wissen gemeinsam erarbeiten können. Eine vorläufige Webseite für das Projekt existiert schon, innerhalb eines Monats soll die Wikiversity dann offiziell ihre Tore öffnen. Die Wikimedia Foundation stimmte einem sechsmonatigen Probebetrieb zu, die virtuelle Universität soll noch in diesem Monat starten – zunächst in drei Sprachen.

Eine weitere Ankündigung betrifft einen prominenten Nutzer von Wikipedia-Inhalten. Als erstes Projekt sei Wikipedia als Inhaltelieferant für das One Laptop per Child-Projekt akzeptiert worden. Damit rückt Wikipedia näher an das Ziel, als Wissensschatz für Entwicklungsländer dienen zu können.

Wales kündigte auch Änderungen innerhalb der Wikipedia an. "Wir können uns nicht länger mit steigenden Artikelzahlen zufrieden geben", erklärte Wales. Vielmehr müsse sich die Community darum bemühen die Qualität der Wikipedia-Artikel bei den Kernthemen zu erhöhen. Zwar hatte die angesehene Zeitschrift Nature der Wikipedia im Vergleich mit der Encyclopaedia Britannica eine überraschend hohe Qualität bescheinigt – dieser Eindruck sei aber nicht repräsentativ. "Wir hatten da viel Glück", sagte Wales. Hätten die Prüfer statt Artikel zu wissenschaftlichen Begriffen sich die Themen Politik oder Kunst herausgesucht, wäre der Vergleich anders ausgefallen. Wales betonte aber, dass die Wikipedia-Gemeinde gerade in brisanten Bereichen wie den Biografien lebender Personen – die immer wieder zu Auseinandersetzungen und Skandalen führten – enorme Qualitätsverbesserungen zustande gebracht hatten.

Ein Weg für die qualitative Verbesserung seien stabile Artikelversionen, die den Leser vor Vandalismen schützen, aber gleichzeitig die Artikel zur Bearbeitung offen halten sollen. Wales hatte im Juni bereits Versuche mit stabilen Artikelversionen angekündigt – noch lässt die Umsetzung aber auf sich warten. Er wolle die Diskussion in der deutschsprachigen Wikipedia-Gemeinde nicht vorwegnehmen , da hier die stabilen Artikelversionen zuerst eingeführt werden sollen. Bis zur nächsten Wikimania im kommenden Jahr solle aber auch für die englische Wikipedia stabile Artikelversionen eingeführt werden, gab Wales als Ziel aus.

Ein weiteres Projekt soll das Bearbeiten von Wikipedia-Artikel vereinfachen. Zusammen mit der Firma Socialtext will die Wikimedia Foundation eine einfachere Alternative zum Ändern von Artikeln schaffen. Damit soll die technische Schranke gesenkt werden und weniger interneterfahrene Nutzer zur Mitarbeit bei dem Projekt bewegt werden.

Weitere Ankündigungen betrafen die Wikimedia Foundation, die als gemeinnütziger Betreiber der verschiedenen Wiki-Schwesterprojekte fungiert. Sie soll personell aufgestockt werden, damit sich die Stiftung um Projektmittel von Stiftungen und staatlichen Organisationen bewerben könne. Wales stellte auf der Konferenz auch Brad Patrick vor, der seit einigen Wochen als Interims-CEO der Stiftung fungiert und sie in eine schlagkräftigere Organisation verwandeln will. Zum einen soll der Stiftung ein weiteres Beratergremium zur Seite gestellt werden, das helfen soll, die Idee des freien Wissens besser umzusetzen und zu verbreiten. Auf der anderen Seite sollen "Language coordinator" eingestellt werden, die sich um die Fortentwicklung der Wikipedia in Sprachen kümmern, die bisher eine zu geringe Rolle spielen, wie zum Beispiel Suaheli.

Die Wikimania dauert noch bis zum Sonntag. Auf der Rednerliste stehen zum Beispiel der Wiki-Erfinder Ward Cunningham, Eben Moglen von der Free Software Foundation und Lawrence Lessig, Begründer der Creative-Commons-Lizenzen. (Torsten Kleinz) / (jk)