Datenschützer kritisieren künftige Bundesregierung

Auf der Datenschutzkonferenz DAFTA wurde Kritik an dem von CDU/CSU und SPD geschlossenen Koalitionsvertrag laut. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Daniel Bahr hat darin ein "Datenschutz-Verständnis von vorgestern" entdeckt.

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Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti

Auf der Datenschutzkonferenz DAFTA haben sich staatliche und betriebliche Datenschützer angesichts des von CDU/CSU und SPD ausgehandelten Koalitionsvertrags (PDF-Datei) alarmiert gezeigt. Während die rot-grünen Koalitionsverträge noch ambitionierte Projekte wie das Datenschutzaudit, das Gendiagnostikgesetz und das Arbeitnehmerdatenschutzgesetz enthielten, schweigt sich der Vertrag der großen Koaliton in Fragen eines modernen Datenschutzes aus. Allerdings kündigt er eine Überprüfung und Überarbeitung des Datenschutzrechts an und zwar im "Hinblick auf den Abbau überflüssiger Bürokratie". Ebenso müsse überprüft werden, "inwieweit rechtliche Regelungen, etwa des Datenschutzes, einer effektiven Bekämpfung des Terrorismus und der Kriminalität entgegenstehen".

"Dem Koalitionsvertrag liegt ein Datenschutz-Verständnis von vorgestern zu Grunde", bemerkte der FDP-Bundestagsabgeordnete Daniel Bahr. Das innovative Konzept des "Privacy sells" werde nicht aufgegriffen, man verfalle stattdessen in die alte Frontstellung von "Datenschutz versus Sicherheit". Der Vertrag thematisiere zudem weder Anonymisierung noch Pseudonymisierung. Ein Bundesinnenminister Schäuble sei jedoch besser als ein Bundesinnenminister Schily, der zuletzt für Belange des Datenschutzes nicht mehr ansprechbar gewesen sei.

Bettina Gayck, Sprecherin der nordrhein-westfälischen Landesdatenschutzbeauftragten, vertrat den Standpunkt, dass die Datenverarbeitung auch immer ein Machtfaktor sei – und der Datenschutz das Instrument, um diese Macht zu begrenzen. Mittlerweile sei jeder Mensch vernetzt und keiner könne die Verarbeitung seiner Daten noch überschauen. "Der Aufwand des Datenschutzes, der den Menschen nützt, kann nicht als Bürokratie verurteilt werden."

Ein weiteres Thema der Konferenz die Frage der völligen Unabhängigkeit der staatlichen Datenschutzaufsicht. Die Pläne des Landes Niedersachsen, zum 1. Januar 2006 die Datenschutzaufsicht in das Innenministerium einzugliedern, seien, so der GDD-Vorsitzende Peter Gola, mit der Europäischen Richtlinie 95/46/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten (EG-Datenschutzrichtlinie) nicht in Einklang zu bringen. Auch die EU-Kommission habe dies, so Gola, in einem Brief an die Bundesregierung festgestellt. Diese habe darauf allerdings nur ausweichend geantwortet. So müssten alle Behörden in das Prinzip "alle Gewalt geht vom Volke aus" eingebunden werden.

Ulrich Strack von der Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Verwaltung nahm diesen Ball auf und schlug vor, dass die Bundesregierung während ihrer nächsten EU-Präsidentschaft nun konsequent eine Änderung der Richtlinie betreiben und die "völlige Unabhängigkeit" abschaffen könnte. Eine Änderung der europäischen Datenschutzrichtlinie lehnte der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar dagegen "kategorisch" ab. Die "völlige Unabhängigkeit" des Datenschutzbeauftragten sei gerade in schwierigen Zeiten für die Durchsetzung des Datenschutzes von entscheidender Bedeutung. Er erinnerte daran, dass jüngst ein Staatssekretär eines Innenministeriums das Betreiben eines Anonymisierungsdienstes mit Beihilfe zur Kinderpornographie verglichen hatte.

Schaar erinnerte daran, dass von den rot-grünen Datenschutzprojekten keines umgesetzt worden sei. Nun komme es drauf an, die Chancen zu erkennen. Er sprach sich ebenenfalls gegen "überflüssige Normen und kostspielige Verpflichtungen" aus und erinnerte dran, dass die betrieblichen Datenschutzbeauftragten sich als Vertreter ihres Betriebs in der Vergangenheit dafür eingesetzt hatten, die Meldepflichten zu reduzieren und damit einen Beitrag zum Bürokratieabbau zu leisten. Zudem sei das deutsche Modell des betrieblichen Datenschutzbeauftragten international erfolgreich: So sei Frankreich derzeit dabei, auf freiwilliger Basis betriebliche Datenschutzbeauftragte einzuführen – und auch Litauen wolle das deutsche Modell übernehmen. Ein Gesetzesantrag (PDF-Datei) der Länder Niedersachsen und Hessen sieht unter anderem vor, den Schwellenwert zur Bestellpflicht betrieblicher Datenschutzbeauftragter von fünf auf 20 Arbeitnehmer für die Einrichtung von betrieblichen Datenschützern zum Zwecke des Bürokratieabbaus zu erhöhen. (Christiane Schulzki-Haddouti) / (anw)