Da sieht der Nutzer alt aus

Mit der Technologie von Face.com können Online-Dienste Gesichter auf Fotos identifizieren. Nun wird die Software um eine automatische Alterserkennung erweitert. Damit Online-Werbung noch präziser bei der ausgewählten Zielgruppe landet.

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Von
  • Tom Simonite

Mit der Technologie von Face.com können Online-Dienste Gesichter auf Fotos identifizieren. Nun wird sie um eine automatische Alterserkennung erweitert, die das Schalten von Online-Werbung noch individueller machen soll.

Der gute alte New-Yorker-Cartoon, dass im Netz niemand weiß, ob man ein Hund ist, mutet wie ein Witz aus einem vergangenen Zeitalter an. Heute wird jeder Facebook-Kommentar, jeder Webseiten-Aufruf in Echtzeit analysiert, um das Profil des jeweiligen Nutzers herauszufinden. Mit dem Ziel, ihm sofort passende Online-Anzeigen präsentieren zu können. Das israelische Start-up Face.com will dieses Profiling nun noch weiter treiben: Ab sofort versucht es, auch das Alter von Personen zu ermitteln, die auf Fotos im Netz abgebildet sind - um daraus auf das Alter von Nutzern zu schließen.

Das Unternehmen, das seine Dienste seit 2009 anbietet, ist komplett Cloud-basiert, da sie sich auf die automatische Auswertung von großen, bereits bestehenden Bildersammlungen konzentriert. Das funktioniert, ohne dass Face.com die eigentlichen Fotodateien speichern muss. Das Unternehmen hatte nach eigenen Angaben 2011 bereits mehr als 24 Milliarden Fotos gescannt und auf ihnen rund 65 Millionen Einzelpersonen identifiziert – zu 80 Prozent in bei Facebook eingestellten Bildern. Der enorme Umfang dieser Datenbank hat einen einfachen Grund: Face.com erlaubt externen Apps, auf seine Gesichtsdatenbank zuzugreifen.

„Schicken Sie uns ein Bild mit einem Gesicht darauf, und wir schicken eine Altersschätzung zurück“, sagt Gil Hersch, Mitgründer und CEO von Face.com, jetzt. Um den Dienst zu nutzen, bauen Seitenbetreiber eine Schnittstelle in ihre Online-Software ein. Über die werden Bilder zur Analyse an Face.com übermittelt und die Ergebnisse von der in Tel Aviv ansässigen Firma empfangen. Diese umfassen eine untere und eine obere Grenze für das geschätzte Alter, eine Altersangabe mit der höchsten Wahrscheinlichkeit sowie einen „Confidence“-Wert für die Angaben (eine Demo-Seite gibt es hier).

„Wir haben von einer Reihe Kunden gehört, dass sie für verschiedene Anwendungen an einer Alterserkennung interessiert sind“, sagt Hersch. „Das Schalten von Anzeigen ist eine davon.“ Bereits jetzt würden einige Firmen die Geschlechtererkennung nutzen, die Face.com ermöglicht, um passende Werbung neben Fotos einblenden zu können.

Videochat-Betreiber, die fremde Menschen in Kontakt miteinander bringen, hätten ebenfalls Interesse bekundet, fügt Hersch hinzu. Mit der bisherigen Gesichtserkennungs-Software von Face.com prüfen sie bereits, ob Nutzer in Videos auch ihr Gesicht zeigen. Rund 45.000 Software-Entwickler haben sich für den Dienst von Face.com registriert. Die Firma verarbeite ein paar Milliarden Fotos monatlich, sagt Hersch.

Grundlage für die neue Alterserkennung ist ein Bestand von Hunderttausenden Abbildungen von Gesichtern, die Menschen mit Altersangaben versehen haben. Die Face.com-Software wird mit diesen Bildern trainiert, aus den Gesichtszügen auf das Alter einer abgebildeten Person zu schließen. In 90 Prozent der Fälle stimmt die Schätzung inzwischen mit der von Menschen überein. Allerdings wurden die Ergebnisse bislang noch nicht mit dem wahren Alter der Abgebildeten abgeglichen.

Wie alt ist Alec Baldwin (hier in einer Filmszene mit Tina Fey in der TV-Serie "30 Rock")? Wie viele Hollywood-Stars schätzt die Face.com-Software Baldwin jünger ein, als er ist. Die obere Grenze entspricht seinem tatsächlichen Alter: 53.

(Bild: Face.com)

Manche Fotos machen jedoch mehr Schwierigkeiten als andere. „Weibliche Stars zum Beispiel sehen eher jünger aus, als sie wirklich sind“, erläutert Hersch. „Das passt aber dazu, wie Menschen das Alter von anderen beurteilen.“ Schließlich habe man diese Beurteilungen als Trainingsbasis für die Software verwendet.

Die werde zwar nie so gut wie Menschen werden, sagt Hirsch, aber für viele Anwendungen genüge eine ungefähre Altersangabe. In der Marktforschung gehe es ohnehin meist nur um Altersgruppen.

Die Technologie lässt sich laut Hirsch durchaus noch verbessern. So hätten die Lichtverhältnisse auf einem Gesicht einen Einfluss darauf, wie alt es erscheint. Wirft die Lichtquelle im Bild zum Beispiel starke Schatten in der Augenpartie, könnten abgebildete Personen älter wirken, als sie sind.

„Das Verfahren hat ein enormes Potenzial für kontextbasierte Werbung“, schwärmt Qiang Yang von der Hongkong-Universität für Wissenschaft und Technik. Yang hat kürzlich selbst eine Software entwickelt, die Online-Anzeigen in Abhängigkeit von Bildinhalten platziert. Kombiniert mit der Auswertung von Textinhalten auf einer Webseite bekomme man eine viel genauere Vorstellung vom Betrachter, sagt Yang. „Im Falle eines weiblichen Teenagers blenden wir dann andere Anzeigen ein als bei einem männlichen Mittvierziger.“

Technologien für die Gesichtserkennung werden hinsichtlich Datenschutz kontrovers diskutiert. Auf Facebook sind sie jedoch schon Standard. Sie sollen es Nutzern erleichtern, ihre Freunde in Bildern zu kennzeichnen. Auch der Fotodienst Picasa von Google oder das Apple-Programm iPhoto sind mit entsprechenden Verfahren ausgestattet. Für Hersch steige mit der neuen Altersschätzung der Wert von Online-Bildern: „Wir fördern Daten zutage, die eigentlich schon vorhanden sind, bisher aber nicht zugänglich waren.“ (nbo)