BKA: 2D-Foto-Fahndung ist nicht einsatzfähig

Das BKA stellte die ernüchternden Forschungsergebnisse zum Projekt Foto-Fahndung vor: Beim derzeitigen Stand der Technik ist das System nicht einsetzbar. Die Kriminalforscher hoffen auf 3D-Erkennungssysteme, deren Entwicklung jedoch noch am Anfang steht.

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Von
  • Detlef Borchers

Das Bundeskriminalamt hat in Wiesbaden die ziemlich ernüchternden Forschungsergebnisse zum Projekt Foto-Fahndung vorgestellt: Beim derzeitigen Stand der Technik kann das System nicht eingesetzt werden. Hoffnung setzen die Kriminalforscher auf 3D-Erkennungssysteme, deren Entwicklung jedoch noch am Anfang steht.

Beim Projekt Foto-Fahndung wurde in einem Feldtest am Mainzer Hauptbahnhof geprüft, ob die biometrische 2D-Gesichtserkennung als Fahndungsmittel für die Polizei geeignet ist. Vom 9. Oktober 2006 bis zum 31. Januar 2007 wurde dafür der Treppenabstieg im Mainzer Hauptbahnhof durch drei Kamerasysteme überwacht, deren Bilder von einer Gesichtserkennungssoftware ausgewertet wurden. 200 Freiwillige wurden vorab von Kameras aufgenommen und ihre biometrischen Templates extrahiert: Nach diesen Freiwilligen mussten die Systeme tagtäglich – mit Ausnahme der Weihnachtszeit – fahnden. Damit registriert werden konnte, ob die Personen wirklich die Erkennungszone passieren, trugen die Personen Transponder.

Beim weltweit ersten Forschungsprojekt unter einigermaßen realistischen Alltagsbedingungen stellte sich heraus, dass die Beleuchtung im Treppenbereich die größte Rolle spielte. Während bei Tageslicht auf der herabführenden Rolltreppe Erkennungsraten von über 60 Prozent erzielt wurden, sank die Rate nachts auf 10 bis 20 Prozent. In der dunklen Jahreszeit funktionierte die Foto-Fahndung praktisch nur von 9:00 bis 16:00. Entsprechend nüchtern urteilte BKA-Präsident Jörg Ziercke zur Präsentation der Forschungsdaten in Wiesbaden: "Biometrische Gesichtserkennungssysteme im öffentlichen Raum sind derzeit nicht einsatzfähig, ihre Erkennungsleistung ist nicht ausreichend genug. Außerdem ist das Potenzial einer Falscherkennung zu hoch." Für Ziercke ergibt sich damit die Konsequenz, dass biometrische Systeme wohl zu Verifikationszwecken etwa bei Zugangskontrollsystemen ihre Berechtigung haben und bei entsprechendem technischen Fortschritt hin zur 3D-Biometrie neu geprüft werden müssen. "Unser Projekt widerlegt alle Befürchtungen, dass wir auf dem Weg in einen Überwachungsstaat sind, in dem der Einzelne jederzeit erkannt wird."

Zur Foto-Fahndung waren jeweils zwei Kameras (für Treppe und Rolltreppe) der Firmen L1-ID/Bosch Sicherheitssysteme, Cognitec und Crossmatch/Vitronic Dr. Stein installiert worden. Sie schickten ihre Bilder zu einem Computer im Keller, auf dem die Facecheck-Software von C-Vis die Testpersonen melden mussten. Grundsätzlich konnte bei dem 210.000 Euro teuren Projekt festgestellt werden, dass es möglich ist, in Echtzeit Gesichter in Menschenmengen zu erkennen. Allerdings spielen die Lichtverhältnisse und die Kameratechnik eine entscheidende Rolle. Selbst bei Idealbedingungen (Rolltreppe mit stehenden Personen, erleuchteter Innenbereich des Hauptbahnhofes) war mit Einbruch der Dämmerung eine Foto-Fahndung praktisch unmöglich. "Erfolgreiche Gesichtserkennung ist bei 2D-Verfahren nur mit Frontalaufnahmen möglich", erklärte Projektleiter Peter Pretzel, "das bedeutet, dass die zu suchenden Personen sich kooperativ verhalten müssen und nicht auf den Boden schauen, wenn sie etwa die Treppe herunterlaufen." Dementsprechend wurden die Erkennungsraten für neben der Rolltreppe ebenfalls überwachten Treppe erst gar nicht erwähnt. Sollten im Außenbereich noch Witterungseinflüsse (Regen/Schnee) oder tiefe Sonnenstände hinzukommen, dürfte die Erkennungsleistung weiter gen Null sinken.

Selbst in Idealsituationen, wie sie der Mainzer Hauptbahnhof oder eine Gangway auf dem Flughafen bieten können, kann nach Ansicht der Kriminalforscher nicht von einer automatisierten computerisierten Kontrolle die Rede sein: "Es müsste sichergestellt sein, dass bereits an der Kontrollstelle Polizeikräfte stationiert sind oder dass die vom System erkannte Person sich noch für einen gewissen Zeitraum im näheren Umfeld aufhält", betonte Pretzel.

Im Rahmen der Pressekonferenz zum Forschungsprojekt unterstrich BKA-Präsident Jörg Ziercke noch einmal die Bedeutung, die die Reform des BKA-Gesetzes einschließlich der umstrittenen Online-Durchsuchung für die Kriminalisten hat: "Ich halte die Online-Untersuchung für essenziell, sowohl im Kampf gegen den Terrorismus wie gegen die organisierte Kriminalität. Die gesamte Kommunikation der Straftäter muss überwacht werden. Damit wir mit ihnen auf einer Augenhöhe sind, müssen wir vor der Verschlüsselung auf der Festplatte sein."

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(Detlef Borchers) / (jk)