Abgabe auf digitale Speichermedien in der Schweiz kommt doch

Das Schweizer Bundesgericht hat Beschwerden gegen die bereits im Januar 2006 beschlossene Urheberrechtsabgabe auf Speichermedien für audiovisuelle Abspielgeräte zurückgewiesen. Die Berechnungsgrundlagen der Abgaben sind allerdings schwer nachvollziehbar.

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Ab 1. September müssen Schweizer Verbraucher für MP3-Player und Festplattenrekorder wohl tiefer in die Tasche greifen. Die seit knapp anderthalb Jahren beschlossene und seither von Verbraucherschützern vehement bekämpfte Gebühr wird nach einem Grundsatzurteil des Eidgenössischen Bundesgerichts im Herbst in Kraft treten. In der den Beteiligten gestern zugestellten Entscheidung vom 19. Juni erklärt das Gericht die Abgabe für rechtmäßig und weist die zahlreichen Beschwerden – auch von Seiten der Rechteverwerter – zurück.

Die Eidgenössische Schiedskommission für die Verwertung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten hatte im Januar 2006 entschieden, auf digitale Speichermedien in audiovisuellen Abspielgeräten eine Leerträgerabgabe zu erheben. Die außerparlamentarische und vom Bundesrat gewählte Kommission legt die Tarife der Schweizer Verwertungsgesellschaften fest. Nach den Protesten von IT-Industrievertretern und Verbraucherschützern wurde die Verordnung zunächst auf gerichtliche Anordnung bis zur abschließenden Entscheidung über die Beschwerden ausgesetzt. Die Lausanner Bundesrichter haben der Abgabe nun grünes Licht gegeben.

Die Gebühr ist für feste oder wechselbare digitale Speichermedien in hauptsächlich zur Aufnahme bestimmten Geräten zu entrichten, also zum Beispiel MP3-Player mit Flashspeicher oder Videoaufnahmegeräte mit einer Festplatte. Dieselbe Festplatte in einem PC ist dagegen abgabefrei, weil sie nur in zweiter Linie zur Speicherung von Musik oder Filmen dient. Die Abgabe wird von Herstellern und Importeuren der Speichermedien erhoben, die zusätzliche Belastung dürfte sich dennoch in den Marktpreisen der betroffenen Geräte niederschlagen.

Der so genannte Tarif 4d ist nach Speicherart und Verwendungszweck gestaffelt. Die Gebühren für Speicherchips in Musikplayern fangen bei 0,0253 Franken pro MByte bei weniger als 512 MByte Gesamtspeicher an und sinken mit wachsender Speichergröße. So entfällt auf einen MP3-Player mit 4-Gigabyte-Flashspeicher eine Abgabe von rund 19,13 Franken (umgerechnet 11,54 Euro), für einen Festplatten-Musikplayer sind laut Tarif pro GByte 0,469 Franken zu zahlen. Auf einen MP3-Player mit 4 GByte Flashspeicher würden damit zehnmal so hohe Urheberrechtsabgaben entfallen wie auf ein vergleichbares Gerät mit Festplatte. Abgaben auf Festplatten in einem "Audiovisions-Aufnahmegerät" (z.B. Videorekorder, TV-Receiver mit Festplatte) sollen mit 0,346 pro GByte Speicherkapazität zu Buche schlagen.

Verbraucherschützer und der Wirtschaftsverband der Informationstechnik (Swico) hatten sich vehement gegen den von der Kommission beschlossenen Tarif gewehrt, weil es sich ihrer Ansicht nach um eine "verkappte Geräteabgabe" handelt, deren von den Rechteinhabern gewünschte Einführung im Parlament wiederholt abgelehnt worden war. Dem konnte das Gericht nicht folgen und wies darauf hin, dass der Tarif auf Speichereinheiten erhoben werde. Die Beschwerden verschiedener Verbraucherschutzorganisationen wurden gar nicht erst zugelassen, weil diese nach Ansicht des Gerichts nicht die nötige Legitimation zur Vertretung der Konsumenten nachgewiesen hätten.

Die so abgewiesenen schäumen. "Zahlt und seid still!" laute die Botschaft der Richter an die Schweizer Verbraucher, erklärte die Stiftung für Konsumentenschutz. Mit der Entscheidung habe das Gericht die geltenden Gesetze sehr weit ausgelegt und damit weiteren Abgaben auf Geräte wie PCs "Tor und Tür geöffnet". Der Swico bedauert, dass das Bundesgericht das "unangemessene Berechnungsmodell" nicht näher geprüft habe. Für den Konsumenten würden je nach verwendetem Speichermedium "nicht nachvollziehbare enorme Unterschiede in der Vergütungshöhe für dieselbe Nutzung" entstehen.

Die Rechteverwerter begrüßten das Urteil des Bundesgerichts, obwohl auch sie zunächst gegen den Kommissionsbeschluss Einspruch eingelegt hatten, weil der Tarif gegenüber der ersten Fassung gesenkt worden war. Die Schweizer Verwertungsgesellschaft Suisa teilte mit, das Urteil ermögliche die Fortführung eines Systems, das sich sowohl für Künstler als auch für Konsumenten bewährt habe. Zudem habe das Gericht den Spielraum der Schiedskommission bei der Tariffestlegung bestätigt.

Mit einigen Unklarheiten dürften sich die Parteien also auch weiterhin beschäftigen müssen. Während primär für andere Zwecke gedachte Geräte wie Mobiltelefone von der zusätzlichen Speichergebühr ausgenommen sind, dürften neue und nach der Verhandlung des Tarifs vor über anderthalb Jahren eingeführte Geräte wie das iPhone die Trennschärfe der Tarifkriterien einem echten Belastungstest unterziehen. "Als nächstes werden die Musikhandys besteuert", fürchtet die Stiftung für Konsumentenschutz. Auch bei der Suisa vermutet man, dass sich die Beteiligten schon bald wieder mit den neuen Geräten auseinandersetzen müssen. Es bleibt also spannend in der Schweiz.

Zu den Diskussionen und juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Artikel auf c't aktuell (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):

(vbr)