EU-Justizkommissar Frattini befĂĽrwortet Online-Durchsuchung

Franco Frattini hat Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble seine "vollste Unterstützung" für die staatliche Verwanzung von PCs zugesichert, während der Bundesdatenschutzbeauftragte seine Bedenken untermauert.

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EU-Justizkommissar Franco Frattini hat Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) seine "vollste Unterstützung" für dessen Pläne für so genannte Online-Durchsuchungen zugesichert. "Natürlich" müssten dabei "die Belange des Datenschutzes berücksichtigt werden", erklärte der Italiener gegenüber der Schweriner Volkszeitung. "Aber wir dürfen auch nicht vergessen: Es geht um die Sicherheit der Menschen in Europa. Deshalb müssen wir verhindern, dass Terroristen das Internet für ihre Zwecke missbrauchen."
Gleichzeitig unterstrich Frattini aber auch, dass Deutschland bereits "eine hervorragende Sicherheitsarchitektur mit guten Möglichkeiten" habe, terroristischen Aktivitäten frühzeitig auf die Spur zu kommen. In anderen Ländern Europas gebe es da größeren Nachholbedarf. Generell bezeichnete der Justizkommissar den islamischen Terrorismus weiterhin als "die größte Bedrohung für Europas Sicherheit". Dank der verstärkten Zusammenarbeit in Europa zwischen Nachrichtendiensten und Polizei sei es aber zum Glück gelungen, schwere Anschläge in London, in Dänemark und 2006 auch in Deutschland zu verhindern. Dennoch setzt Frattini etwa auch darauf, dass Berlin die heftig umstrittene EU-Richtlinie zur Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetdaten schon bis Ende des Jahres umsetzt.
Der Bundesgerichtshof (BGH) untersagte jüngst das heimliche Ausspähen von Festplatten über das Internet wegen fehlender Rechtsgrundlage. Schäuble und Polizeivertreter dringen seitdem auf eine gesetzliche Regelung, die den Strafverfolgern und den Geheimdiensten die staatliche Verwanzung von PCs erlaubt. Jörg Ziercke, Chef des Bundeskriminalamts (BKA), hat derweil seine Forderung zur Legalisierung von Online-Durchsuchungen gegenüber dem Spiegel noch einmal bekräftigt, die entstandene Verwirrung über den tatsächlichen Ansatzpunkt der geplanten Netzspionage aber nicht ausgeräumt.
Terroristen und andere Kriminelle würden ihre Daten auf passwortgeschützten Speichern irgendwo in der virtuellen Welt aufbewahren, zeigte sich der SPD-Mann besorgt. Die Verschlüsselungstechnik mache es den Ermittlern dabei nahezu unmöglich, solche Informationen – etwa von einer Festplatte – zu entschlüsseln. "Wir müssen also vor der Ver- oder nach der Entschlüsselung ansetzen, und das geht nur online", meinte Ziercke. Dass Terroristen weitere Kryptotechniken wie Virtual Private Networks (VPN) nutzen könnten, schloss der BKA-Präsident somit anscheinend aus.
Datenschützer und Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) hegen dagegen weiterhin schwere rechtliche Bedenken gegen die geplante Schnüffeltechnik. "Ich zweifle generell an der Möglichkeit, dass die Online-Durchsuchungen verfassungsgerecht durchzuführen sind", erklärte der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar im Gespräch mit heise online. "Niemand konnte mir bisher plausibel machen, wie dabei Eingriffe in den absolut geschützten Kernbereich der privaten Lebensgestaltung ausgeschlossen werden können." Schließlich unterscheide ein "Kommissar Trojaner" nicht zwischen höchstpersönlichen auf einer Festplatte gespeicherten oder von einem PC an einen Server übertragenen Dingen und anderen, weniger sensiblen Informationen.
Laut Schaar sprechen aber auch viele praktische Gründe gegen eine solche Maßnahme. Der Bundesdatenschutzbeauftragte verwies in diesem Zusammenhang auf "unlösbare Widersprüche zwischen den Bemühungen des Bundesinnenministeriums um Aufklärung der Nutzer über Sicherheitslücken im Internet und die gewollte Schaffung eben solcher." Es sei etwa wohl kaum zu verhindern, dass ein eingesetzter Trojaner umprogrammiert werde – "mit extremsten Folgen". So könnten die Daten etwa danach an "Mafia.org statt BKA.de" gesendet werden.
Ein Rätsel ist Schaar auch, wie die begehrten Daten sicher übers Netz übertragen werden sollten. Vermutlich sei an eine Verschlüsselung nicht zu denken, da die virtuelle Wanze ansonsten programmtechnisch zu groß und ihre Leistung eingeschränkt wäre. Bei einer Online-Abfrage von Daten ergäben sich zudem etwa beim Checken von E-Mail-Accounts im Ausland durch den Auszuhorchenden Probleme mit der internationalen Rechtslage. "Was ist zudem, wenn aus Versehen der falsche Computer oder das falsche elektronische Postfach durchsucht wird?", setzt Schaar die Reihe der aufgeworfenen Fragen fort. In einem solchen Fall könnten die Betroffenen zumindest auf Schadensersatz klagen, hat er zumindest an dieser Stelle eine erste Antwort parat.
Siehe zu dem Thema auch:
  • Sind Online-Durchsuchungen verfassungswidrig?
  • Verfassungsbeschwerde gegen Online-Durchsuchungen, der Text der Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz zur Ă„nderung des Gesetzes ĂĽber den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen
  • Die Vaporware des BKA
  • Auch Generalbundesanwältin fĂĽr Regelung zu Online-Durchsuchungen
  • BKA-Chef legt nach: Polizei braucht Online-Durchsuchungen dringend
  • Bedrohungstriade mit eingebauter Rechtsstaatserosion
  • DatenschĂĽtzer wendet sich gegen Pläne fĂĽr Online-Durchsuchungen
  • Online-Durchsuchungen: Von Gelsenkirchen lernen
  • Datenschutz und Terrorbekämpfung zwischen SWIFT-Transfers und Hawala
  • Zahlen vom Kampf gegen den Terror
  • Online-Durchsuchung: "Tor fĂĽr Hacker" vs. "unerlässliches Werkzeug"
  • Bundesjustizministerin lehnt Online-Durchsuchungen ab
  • Online-Durchsuchung auch in der Schweiz gefordert
  • Online-Durchsuchungen: Polizei nein, Verfassungsschutz ja
  • DatenschĂĽtzer warnt vor schrankenloser Ausforschung durch Online-Durchsuchung
  • Verfassungsbeschwerde gegen Online-Durchsuchungen in NRW eingelegt
  • Mehrheit der BundesbĂĽrger fĂĽr Kompromiss bei Online-Durchsuchungen
  • Schäuble: Trojaner sollen auch private TagebĂĽcher durchsuchen
  • Zypries warnt vor SchnellschĂĽssen zur Ermöglichung von Online-Durchsuchungen
  • Bayern will Regelung zu Online-Durchsuchungen vorantreiben
  • BKA-Chef hält Online-Durchsuchungen fĂĽr dringend erforderlich
  • SPD-Politiker plädieren fĂĽr hohe GesetzeshĂĽrden bei Online-Durchsuchungen
  • Schäuble heizt nach BGH-Urteil Debatte um Online-Durchsuchung an
  • Heimliche Online-Durchsuchungen sind unzulässig
  • Harsche Kritik an Online-Durchsuchungen
  • Bundesgerichtshof entscheidet ĂĽber Online-Durchsuchungen
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  • Zwei Programmierstellen fĂĽr den "Bundestrojaner"
  • Verfassungsbeschwerde gegen NRW-Verfassungsschutzgesetz angekĂĽndigt
  • NRW-Landtag verabschiedet Verfassungsschutzgesetz
  • Datenschutzbeauftragter kritisiert Online-Durchsuchungen privater Computer
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  • BGH verbietet Online-Durchsuchung von Computersystemen
  • Schäuble: Internet ist "Fernuniversität und Trainingscamp" fĂĽr Terroristen
  • Verfassungsschutz, Online-Durchsuchungen und die Verfassung
  • NRW-Verfassungsschutzgesetz wird Landtag erneut beschäftigen
  • Online-Durchsuchung von PCs durch Strafverfolger und Verfassungsschutz
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  • Streit um die Zukunft des Anonymisierungsdienstes AN.ON
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  • Nutzerlobby gegen Lizenz zur "DauerĂĽberwachung" im Internet
  • Deutschland ist fĂĽhrend bei der inneren Sicherheit
  • Vorratsdatenspeicherung soll auch fĂĽr Anonymisierungsdienste gelten
  • Merkel plädiert fĂĽr mehr Ăśberwachung trotz hoher Sicherheit
  • Zur Ăśberwachung von Internet-Nutzern und der Datensammelei im Web siehe auch den Schwerpunkt "Deine Spuren im Netz" in der aktuellen Ausgabe von c't:
    • Verfolgerwahn, Wie Online-Nutzer die Kontrolle ĂĽber ihre Daten zurĂĽckgewinnen können, c't 24/06, S. 202
    • Im Visier der Strafverfolger, Staatlicher Zugriff auf Anonymisierungsserver, c't 24/06, S. 208
    • Globale Rasterfahndung, Privatfirma sammelt und verkauft Daten, c't 24/06, S. 202
    • Big Brother 2.0, Der BĂĽrger im Fadenkreuz der Terrorismusbekämpfung, c't 24/06, S. 202
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  • Schäuble: Anti-Terror-Gesetze haben sich bewährt
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  • DatenschĂĽtzer ĂĽben Kritik an Anti-Terror-Datei
  • Gemischte Reaktionen auf geplante Anti-Terror-Datei
  • Innenminister beschlieĂźen zweiteilige Anti-Terror-Datei
  • DatenschĂĽtzer warnt vor Aktionismus
  • Sicherheitstag im Zeichen der Anti-Terror-Debatte
  • Neue Vorschläge fĂĽr Daten in der Anti-Terror-Datei
  • Diskussion um geplante Anti-Terror-Datei
  • Gesetzentwurf zur zentralen Anti-Terror-Datei in Vorbereitung
  • Die Ausdehnung der Anti-Terrorgesetze und der gläserne Nutzer
  • Scharfe Kritik an geplanter Ausweitung der Anti-Terrorgesetze
  • GroĂźe Koalition ĂĽber Verschärfung der Anti-Terrorgesetze einig
  • (Stefan Krempl) /